Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung bei tarifvertraglich festgelegter Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einem konzernweit geltenden Tarifvertrag festgelegt, dass eine betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfall des Arbeitsplatzes nur ausgesprochen werden kann, wenn eine Weiterbeschäftigung im Konzern zu zumutbaren Bedingungen nicht möglich ist, kann der Arbeitnehmer nicht gekündigt werden, solange der Arbeitgeber nicht darlegen kann, dass solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Konzern nicht bestehen.
2. Eine solche tarifvertragliche Beschränkung des Rechts zur ordentlichen Kündigung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 23.11.2005; Aktenzeichen 9 (15) Ca 13811/05) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten zu 1) und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.11.2005 – 9 (15) Ca 13811/05 – werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/5 und die Beklagte zu 1) 3/5.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Auslauffrist sowie über die Frage der Weiterbeschäftigung und den Anspruch auf Verschaffung eines neuen Arbeitsvertrages zugunsten des Klägers.
Der am 01.06.1955 geborene Kläger, verheiratet, 2 Kinder, war seit dem 04.06.1974 bei der L A als Lagerverwalter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des L konzerns Anwendung, so u. a. § 41 des Manteltarifvertrages der L A, der den Ausschluss der ordentlichen Kündigung in Abhängigkeit von Beschäftigungszugehörigkeit und Lebensalter vorsieht, Anwendung.
Anwendbar ist auch der Tarifvertrag Schutzabkommen aus dem Jahr 1980 (Fassung vom 01.10.1995 – Bl. 77 ff. d. A.). Dessen § 6 lautet:
„§ 6 Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts
(1) Bewirkt eine Maßnahme nach § 3, dass die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters in Quantität und/oder Qualität ganz oder überwiegend entfällt, ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber gleichwohl nicht zulässig, wenn die Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern (D /C /L) möglich ist und der Mitarbeiter dazu sein Einverständnis erklärt hat, insbesondere
- wenn der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb innerhalb des Konzerns am gleichen oder einem anderen Ort in seiner bisherigen Tätigkeit oder in einer anderen, zumutbaren Tätigkeit weiterbeschäftigt werden kann.
- wenn eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Buchstaben a) nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und der Mitarbeiter sein Einverständnis zu Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen erklärt hat.”
Im Jahr 1995 wurde der Betrieb, in dem der Kläger arbeitete, aus dem Unternehmen der L A ausgegliedert, rechtlich verselbstständigt und als konzernangehöriges Unternehmen geführt. Dieses Unternehmen ist die Beklagte zu 1), die seither mit einer Mitarbeiterzahl von ca. 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Druck- und Distributionsleistungen erbracht hat. Anlässlich der Ausgliederung wurden die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch das des Klägers, gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte zu 1) übergeleitet. Der Kläger erhielt hierzu ein Schreiben vom 10.05.1995, in dem es hieß, dass sein persönliches Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 1) übergehe, und in dem der Hinweis enthalten war, dass die Arbeitsbedingungen der L Tarifverträge auch bei der Beklagten zu 1) Anwendung fänden.
In einer dem Schreiben beigefügten Mitarbeiterinformation (Bl. 7 ff. d. A.) war unter dem Stichwort „Sicherheit der Beschäftigungsverhältnisse” folgendes ausgeführt:
„Sicherheit der Beschäftigungsverhältnisse
Der Umfang der tarifvertraglich garantierten Schutz-Zusagen im Falle des Arbeitsplatzverlustes bleibt voll erhalten. Eine betriebsbedingte Kündigung ist – wie bisher und unabhängig von der Firmenzugehörigkeit – ausgeschlossen, solange der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz im L konzern, das sind in diesem Zusammenhang alle Konzernunternehmen, für die der erweiterte L -Tarifvertrag gilt, ggf. auch nach einer zumutbaren Umschulung eingesetzt werden kann.
Im Laufe des Jahres 2003 wurde die Schließung des Betriebes der Beklagten zu 1) beschlossen. Der Kläger bewarb sich daraufhin u. a. auf eine am 09.10.2003 von der L T A in F ausgeschriebene Stelle als Hilfskraft Technik, die eine um 2 Vergütungsgruppen niedrigere Vergütung enthielt.
Am 10.10.2003 wurde ein Interessenausgleich und Sozialplan beschlossen (Bl. 20 ff. d. A.).
Zum 31.10.2003 wurde die Betriebsschließung vollzogen. Am 10.11.2003 wurde der Betriebsrat zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Auslauffrist angehört, der der Betriebsrat widersprach (Widerspruch Bl. 115 d. A.).
Am 17.12.2003 fand in F das Bewerbungsgespräch des Klägers fü...