Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche eines geringfügig Beschäftigten auf Vergütung von Überstunden, Zahlung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall einer Zahlungsklage bei einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis mit unregelmäßigen Arbeitszeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch auf Vergütung geleisteter Überstunden setzt voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt und ggfls. beweist, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt er seiner Darlegungslast, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereit gehalten hat.

2. Ein Anspruch auf Vergütung geleisteter Überstunden setzt weiterhin voraus, dass diese vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind.

3. Dabei ordnet der Arbeitgeber konkludent Überstunden an, wenn er dem Arbeitnehmer Arbeit in einem Umfang zuweist, der unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit nur durch die Leistung von Überstunden zu bewältigen ist.

4. Von der Duldung von Überstunden durch den Arbeitgeber ist auszugehen, wenn er diese in der Vergangenheit einmal jährlich vergütet hat.

5. Ein Teilzeitbeschäftigter, der Vergütung für geleisteten Urlaub geltend macht, ist gehalten, die Anzahl der jährlichen (Mindest-)Urlaubstage umfassend zu begründen.

6. Macht ein Teilzeitbeschäftigter Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geltend, so muss er nicht nur darlegen, dass er an einer bestimmten Anzahl von Tagen arbeitsunfähig erkrankt war, sondern auch, dass er an diesen Tagen tatsächlich eine Arbeitsleistung hätte erbringen müssen.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, § 611a; BUrlG §§ 1, 11 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1; BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 2 Ca 397/19)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.10.2019 (2 Ca 397/19) teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 877,96 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 26.01.2019 zu zahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

  • II.

    Die Kosten der 1. Instanz trägt die Klägerin zu 90 % und der Beklagte zu 10 %. Die Kosten der Berufung tragen der Beklagte zu 70 % und die Klägerin zu 30 %. (*)

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über Ansprüche der Klägerin auf Vergütung von Überstunden, Zahlung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Der Beklagte - ein Filialist der W Lotterie GmbH & Co. KG - betreibt ua. in Z eine Lotto-Filiale in einem E -Markt. Die Lotto-Filiale war von Montags bis Donnerstags in der Zeit von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr sowie Freitags und Samstags in der Zeit von 07:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Die Schichtzeiten der Arbeitnehmer waren Montags bis Donnerstags von 07:45 Uhr bis 14:15 Uhr (Frühschicht) bzw. von 13:45 Uhr bis 20:15 Uhr (Spätschicht) und Freitags und Samstags von 06:45 Uhr bis 13:45 Uhr (Frühschicht) bzw. von 13:15 Uhr bis 20:15 Uhr (Spätschicht). Jede Schicht ist jeweils mit einem Arbeitnehmer besetzt.

Die Klägerin, geboren am 1966, war ab dem 10.10.2012 bei dem Beklagten im Verkauf beschäftigt. Sie war auf im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung mit einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 450,- Euro und einem Stundenlohn von zuletzt 9,34 Euro brutto bei dem Beklagten beschäftigt. Der Rentenoption wurde nicht widersprochen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Seit Oktober 2017 leitete die Klägerin die og. Lotto-Filiale und erstellte hierfür die Schichtpläne.

Die monatliche Arbeitszeit der Klägerin betrug rund 48 Stunden. Feste Schichten oder Wochentrage, an denen die Klägerin arbeiten sollte, wurden zwischen den Parteien nicht vereinbart. Die Klägerin erbrachte ihre Arbeitsleistung - ausweislich der von ihr vorgelegten Schichtpläne, bzgl. derer auf Bl. 21, 79-83, 90-94, 265-277, 287-299 d.A. Bezug genommen wird, und bei denen der Beklagte bestreitet, dass diese von ihm stammen - unregelmäßig. Es gibt Kalenderwochen, in denen die Klägerin keine Schicht hatte. In den meisten Kalenderwochen arbeitete sie entweder an zwei oder an drei Werktagen (Montag bis Samstag) und hierbei mal in der Frühschicht und mal in der Spätschicht. Es gibt auch Wochen, in denen die Klägerin an vier Tagen arbeitete (zB. Woche vom 30.07.2018 bis 04.08.2018, siehe Bl. 80 d.A.).

Das - verstetigte - monatliche Entgelt in Höhe von 450,- Euro brutto rechnete der Beklagte gegenüber der Klägerin bis einschließlich des Kalendermonats November 2018 jeweils ab und zahlte den sich hieraus ergebenden Nettobetrag iHv. 433,35 Euro (in den Jahren 2016 und 2017) bzw. 433,80 Euro (im Jahre 2018) stets bar an die K...

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