Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung einer fiktiven durchschnittlichen Provision für Krankheits-, Urlaubs- und gesetzliche Feiertage
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall der Bemessung einer fiktiven Provision im Rahmen der Entgeltfortzahlung und des Urlaubsentgelts bei stark schwankenden Provisionen im Referenzzeitraum aufgrund einer gerichtlichen Schätzung sowie unter Berücksichtigung einer vereinbarten monatlichen Mindestprovision.
Normenkette
EFZG § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 1a; BUrlG § 11 Abs. 1 S. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 16.09.2019; Aktenzeichen 4 Ca 1809/19) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.09.2019 (4 Ca 1809/19) abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.106,92 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens trägt die Klägerin zu 38% und die Beklagte zu 62%. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Klägerin zu 40% und die Beklagte zu 60%.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von fiktiven durchschnittlichen Provisionen für Krankheits-, Urlaubs- und gesetzliche Feiertage.
Die Beklagte betrieb eine Physiotherapiepraxis bzw. eine Praxis für Krankengymnastik mit zeitweise acht Beschäftigten in K , wobei die Beklagte seit mehreren Jahren in F bzw. N wohnhaft ist. Die fachliche Leitung der Praxis übertrug die Beklagte ihrer Mitarbeiterin Frau S H .
Die Klägerin war ab dem 01.12.2017 bei der Beklagten als examinierte Physiotherapeutin beschäftigt. Der am 16.08.2017 unterzeichnete Arbeitsvertrag, bezüglich dessen weiterer Regelungen auf Übrigen auf Bl. 24-31, 39-46 d.A. Bezug genommen wird, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 6 Vergütung/Gehalt
Die Arbeitnehmerin erhält 38% Provision (achtunddreißig Prozent) des von ihr selbst tatsächlich erwirtschafteten Umsatz als monatliches Bruttoarbeitsentgelt, aber mindestens 1.550,00 Euro brutto (eintausendfünfhundertfünfzig Euro brutto) monatlich. Nach erfolgreicher Probezeit wird die Provision angehoben. Die Provisionen werden mit dem Monatsgehalt ausgezahlt, in dessen Verlauf die jeweilige Verordnung (Rezept) von der Praxis zur Abrechnung an einen Kostenträger jeglicher Art weitergereicht werden."
Die Beklagte erbrachte im Streitzeitraum (Dezember 2017 bis Mai 2018) folgende Bruttogehaltszahlungen an die Klägerin, während die Klägerin nach den Abrechnungen der Beklagten zugleich folgende Provisionen (brutto) gemäß § 6 Satz 1 des Arbeitsvertrages verdient hatte:
|
gezahltes Gehalt |
verdiente Provision |
gearbeitete Tage |
Dez 17 |
1.550,00 Euro |
460,44 Euro |
19 |
Jan 18 |
1.686,58 Euro |
1.678,98 Euro |
16 |
Feb 18 |
1.550,00 Euro |
1.041,52 Euro |
14 |
März 18 |
1.779,75 Euro |
1.779,75 Euro |
15 |
Apr 18 |
2.600,59 Euro |
2.600,59 Euro |
18 |
Mai 18 |
2.667,77 Euro |
2.667,77 Euro |
12 |
Jun 18 |
5.751,97 Euro |
5.750,97 Euro |
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Soweit es die Provision für Januar 2018 betrifft, gingen die Parteien zunächst von einem Betrag iHv. 1.686,58 Euro aus. Da hierin ein Betrag iHv. 7,60 Euro für eine Behandlung am 22.01.2018 enthalten war, der der Klägerin unstreitig nicht zusteht, da sie an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt war, ist die verdiente Provision für Januar 2018 auf 1.678,98 Euro zu reduzieren. Eine Aufrechnung mit der Überzahlung iHv. 7,60 Euro hat die Beklagte nicht erklärt.
Die Klägerin hatte am 08.02.2018, 09.02.2018, 12.02.2018 und 14.03.2018 Urlaub, dh. insgesamt vier Urlaubstage.
Die Klägerin war des Weiteren vom 22. bis 26.01.2018, am 22.02.2018, am 23.02.2018, am 28.02.2018, am 01.03.2018, am 02.03.2018, am 05.03.2018, am 06.03.2018, am 30.04.2018 sowie vom 02. bis zum 04.05.2018 arbeitsunfähig erkrankt, dh. an insgesamt 16 Tagen. Der Beklagten liegen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für diese Fehltage vor. Diese stehen zwischen den Parteien nicht im Streit.
In dem streitgegenständlichen Zeitraum des Bestands des Arbeitsverhältnisses fielen folgende gesetzliche Feiertage: 25./26.12.2017, 01.01.2018, 30.03.2018, 02.04.2018, 01.05.2018, 10.05.2018, 21.05.2018 und 31.05.2018, dh. insgesamt neun gesetzliche Feiertage.
Die Beklagte hat für die vorstehend aufgeführten Fehltage keine - gesonderte - Vergütung bzw. Provision gezahlt, soweit die von der Klägerin in dem Monat tatsächlich verdiente Provision den Mindestbetrag iHv. 1.550,- Euro brutto pro Monat überschritten hat. In jedem Fall hat die Beklagte stets den Mindestbruttobetrag gezahlt, dh. sowohl für Dezember 2017 als auch für Februar 2018.
Ab Juni 2018, dh. nach Ablauf der Probezeit, erhöhte sich der Provisionssatz für die Klägerin auf 40%.
Mit Wirkung zum 01.07.2018 veräußerte die Beklagte die bis zu diesem Zeitpunkt von ihr betriebene Physiotherapiepraxis an ihre Mitarbeiterin Frau S H . Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ging infolge des Betriebsübergangs nach § 613a A...