Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entschädigung aufgrund eines Auflösungsschadens nach selbst ausgesprochener Kündigung aufgrund eines vermeintlichen Lohnzahlungsverzugs
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Hinblick auf einen Anspruch auf Auflösungsschadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB muss zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ein Auflösungsverschulden des Arbeitgebers mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen haben.
2. Außerdem muss sich der Arbeitnehmer die Rechte aus dem Auflösungsverschulden vorbehalten. Geschieht dies nicht, so kann der andere Teil die Einigung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dahingehend verstehen, dass etwaige Rechte aus dem Auflösungsverschulden nicht mehr geltend gemacht werden sollen.
Normenkette
BGB § 628 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 17.08.2021; Aktenzeichen 5 Ca 4118/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.08.2021 - 5 Ca 4118/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Entschädigung eines Auflösungsschadens.
Der Kläger war seit dem 04.05.2009 bei der Beklagten auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 16.04.2009 (Bl. 13 ff. d.A.) als Leiharbeitnehmer tätig. Sein Einsatz erfolgte seit dem Jahre 2015 ausschließlich bei der J (J mbH).
Am 15.03.2018 hat die Beklagte dem Kläger per E-Mail mitgeteilt, dass der Kläger bei der J mbH abgezogen werde und künftig bei der Firma M B in S eingesetzt werde.
Mit Schreiben vom 13.04.2018 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, an ihn ab dem Januar 2018 aus Gründen des equal pay eine Vergütung zu zahlen, die der eines Stammarbeitnehmers entspricht (Bl. 16 f. d.A.). Mit weiterem Schreiben vom 24.04.2018 verlangte der Kläger von der Beklagten nach Wiedergenesung ab dem 30.04.2018 die Beschäftigung beim F J bzw. der J mbH und den Ausgleich der mit dem Schreiben vom 13.04.2018 geltend gemachten Lohndifferenzen. Für den Fall der Nichterfüllung bis spätestens zum 30.04.2018 behalte er sich vor, ggf. das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen und Schadensersatz wegen entgangener Gehaltsansprüche und des Verlustes des sozialen Besitzstands zu beanspruchen (Bl. 264 f. d.A.).
Mit Urteil vom 03.05.2018 hat das Arbeitsgericht Aachen - 8 Ga 12/18 - die Beklagte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als kerntechnischer Facharbeiter in den kerntechnischen Anlagen beim F J oder der J mbH zu beschäftigen (Bl. 18R ff. d.A.).
Mit der Begründung des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit bei der J mbH hat die Beklagte unter dem 24.05.2018 eine Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 30.09.2018 ausgesprochen und dem Kläger angeboten, die Tätigkeit an einem anderen Einsatzort als J fortzusetzen (Bl. 25 f. d.A.). Der Kläger hat das Änderungsangebot mit Schreiben vom 12.06.2018 unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist (Bl. 26 d.A.).
Mit Schreiben vom 31.08.2018 hat der Kläger seine equal-pay-Forderung gegenüber der Beklagten um die Monate März 2018 bis Juli 2018 erweitert. Ferner hat er angekündigt, dass er ggf. außerordentlich kündigen werde, wenn er nicht nach den gesetzlichen Vorschriften entlohnt werde. Er forderte die Beklagte zur Abrechnung und Zahlung bis zum 06.09.2018 auf (Bl. 28 f. d.A.).
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12.09.2018 zum 30.09.2018 (Bl. 28 d.A.). Zum 01.10.2018 begründete er mit der J mbH ein Arbeitsverhältnis zu den finanziellen Konditionen, die er mit seinem equal-pay-Begehren geltend gemacht hatte.
Die gegen die Änderungskündigung vom 24.05.2018 erhobene Klage hat sich am 23.10.2018 durch einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht Aachen - 8 Ca 1811/18 - erledigt. Die Parteien haben vereinbart, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis am 30.09.2018 sein Ende gefunden hat.
Mit Versäumnisurteil vom 08.11.2018 erfolgte durch das Arbeitsgericht Aachen - 8 Ca 1329/18 - die Verurteilung zur Zahlung von geltend gemachten Differenzlohn nach den Grundsätzen des equal pay für den Zeitraum Januar 2018 bis einschließlich September 2018 (Bl. 23 f. d.A.). Mit Urteil vom 17.09.2020 hat das Arbeitsgericht Aachen, nachdem es eine Beweisaufnahme zur Klärung der Art der vom Kläger verrichteten Tätigkeit durchgeführt hatte, das Versäumnisurteil - bis auf eine Korrektur hinsichtlich der Kostenlast - aufrechterhalten. Mit Urteil vom 28.02.2023 hat das Landesarbeitsgericht Köln - 4 Sa 30/21 - die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 17.08.2021 (Bl. 204 ff. d.A.) die vorliegende Klage, mit der der Kläger Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB wegen des Verlusts des sozialen Besitzstandes geltend macht, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar spreche die Höhe des Gehaltsrückstandes aufg...