Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung. Auflösungsverschulden. Schadenersatz. Schadenersatz und Auflösungsverschulden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB ist, dass der Arbeitnehmer seine Eigenkündigung auf einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB stützen kann und die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann der Arbeitnehmer zusätzlich zur Erstattung des Vergütungsausfalls, der bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Kündigung entstanden wäre, auch eine angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG, die den Verlust des Bestandsschutzes ausgleicht, verlangen.

2. Ein Lohnrückstand kann an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Lohnrückstand eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug des Arbeitgebers mit der Lohnzahlung sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 628, 628 Abs. 2, § 626 Abs. 2; KSchG §§ 9-10

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 30.09.2009; Aktenzeichen 10 Ca 1291/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 30.09.2009, Az.: 10 Ca 1291/09 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.160,00 EUR brutto zu zahlen.

Der Kläger hat 42/100 und die Beklagte hat 58/100 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen.

Der Wert des erstinstanzlichen Streitgegenstandes wird auf 11.400,00 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger hat 1/10 und die Beklagte hat 9/10 der Kosten des Berufungsrechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens.

Der am 03.12.1964 geborene Kläger, der keine Unterhaltspflichten hat, war seit dem 22.09.2003 bei der Beklagten, die mit in der Regel 40 bis 50 Arbeitnehmern ein Unternehmen im Bereich Betonsanierungen, Kunststoffbeschichtungen, Industrieanstriche, Sandstrahltechnik und Kernbohrungen betreibt, als Vorarbeiter gegen Zahlung eines Stundenlohnes in Höhe von zuletzt 17,51 EUR brutto beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 (im Folgenden: BRTV Bau) Anwendung.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 18.08.2009 eine außerordentliche Eigenkündigung zum 23.08.2009 erklärt hatte, welche der Beklagten noch am 18.08.2009 zugegangen ist, trat der Kläger am 24.08.2009 eine neue Arbeitsstelle an und bezog dort einen Stundenlohn in Höhe von 15.50 EUR brutto.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivortrages und der Prozessgeschichte wird auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20.09.2009 (dort S. 2 bis 6 = Bl. 55 bis 59 d.A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Abfindung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 30.09.2009 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.050,00 EUR brutto zu zahlen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei begründet, da dem Kläger wegen Auflösungsverschuldens der Beklagten als Schadensersatz eine Abfindung in der zugesprochenen Höhe gemäß § 628 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 9, 10 KSchG (analog) zustehe.

Das nach § 628 Abs. 2 BGB notwendige Auflösungsverschulden der Beklagten, welches das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB haben müsse, sei gegeben, da die außerordentliche Eigenkündigung des Klägers vom 18.08.2009 zum 23.08.2009 rechtswirksam erfolgt sei. Es sei ihm nicht mehr zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, welche sich gemäß § 12 BRTV Bau bei einer hypothetischen Arbeitgeberkündigung auf zwei Monate belaufen hätte, einzuhalten.

Der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung ergebe sich daraus, dass die Beklagte unstreitig mindestens für den Zeitraum von November 2008 bis einschließlich Juli 2009 jeweils monatlich mit der Lohnzahlung durchschnittlich mehr als einen Monat in Verzug gewesen sei. Darüber hinaus habe der Kläger mit Schreiben vom 19.12.2008, 15.04.2009 und 22.07.2009 die Beklagte wegen des zum Zeitpunkt des Zugangs dieser Schreiben jeweils vorliegenden Zahlungsverzuges abgemahnt. Trotzdem habe die Beklagte auch den Julilohn nicht fristgemäß zum 15.08.2009, also zum Fälligkeitszeitpunkt, geleistet.

Als Teil des dem Kläger gemäß § 628 Abs. 2 BGB erwachsenen Schadensersatzanspruches stehe ihm auch eine Abfindung zu, zumal seine Lage derjenigen des Arbeitnehmers vergleichbar sei, demgegenüber der Arbeitgeber unberechtigt gekündigt habe und dem wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzu...

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