Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Kfz-Mechanikers wegen Diebstahls eines Satzes Bremsklötze. Verwertbarkeit von ohne Zustimmung des Arbeitnehmers bzw. des Betriebsrats angeordneter Videoüberwachung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ergebnisse einer ohne Zustimmung des Arbeitnehmers oder des Betriebsrats angenommenen Videoüberwachung eines Arbeitsplatzes sind nur dann verwertbar, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind und die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel zur Sachverhaltsaufklärung darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.

2. Inventurdifferenzen allein vermögen den konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers nicht zu begründen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 06.11.2014; Aktenzeichen 3 Ca 1988/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 06.11.2014 - 3 Ca 1988/14 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.08.2014 oder durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.08.2014 zum 31.03.2015 aufgelöst worden ist und ob die Beklagte den Kläger weiter zu beschäftigen hat.

Die Beklagte begründet die Kündigungen mit einer dem Kläger vorgeworfenen vorsätzlichen strafbaren Handlung zu Lasten ihres Vermögens und zumindest mit einem entsprechenden Tatverdacht. Die ursprünglich vom Kläger in ihrer Ordnungsgemäßheit bestrittene Betriebsratsanhörung hat der Kläger nach entsprechendem Vortrag der Beklagten ausdrücklich nicht mehr gerügt (Bl. 79 d. A.). Der Streit der Parteien dreht sich auch darum, ob eine Videoaufnahme, aus der die Beklagte ihren Vorwurf ableitet, prozessual verwertet werden darf.

Der Kläger ist am . . geboren. Das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wurde am 01.08.1979 begründet. Der Kläger wurde von der Beklagten als Kfz-Mechaniker beschäftigt und erzielte zuletzt ein Monatsbruttoeinkommen von 3.800,00 €.

Die Beklagte ist ein autorisierter M -Vertragshändler. Sie betreibt acht Servicebetriebe und sechs Verkaufshäuser. Sie beschäftigt insgesamt (*1) mehr als 470 Mitarbeiter. In dem Betrieb, in dem der Kläger in E beschäftigt war, sind mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Davon sind fünf einschließlich des Klägers Monteure.

Der Vorwurf der Beklagten geht dahin, dass der Kläger am 15.07.2014 aus dem Ersatzteillager ein Paket mit vier Bremsklötzen für die Baureihen 2 ( )-K und 2 (C )-K , die nur für die Hinterräder bestimmt sind, aus dem Ersatzteillager entwendet habe. Unstreitig ist dabei, dass diese vier hinteren Bremsklötze sämtlich in ein Auto der entsprechenden Baureihe verbaut werden.

Der Kläger hat von dem Ersatzteillager eine Skizze gefertigt, deren Richtigkeit von der Beklagten nicht bestritten wird. Insoweit wird auf Bl. 88 d. A. Bezug genommen. Das Regal, in welchem die Bremsbeläge gelagert werden, befindet sich unmittelbar vor dem EDV-Lagerraum, welcher sich hinter der Warenausgabe befindet.

Jahrelange Praxis war es bei der Beklagten, dass innerhalb des Werkstattbetriebs in dem Bestreben der Verkürzung der sog. Reparaturaufenthaltszeiträume die in der Werkstatt tätigen Monteure das Lager betreten konnten und entsprechende Ersatzteile bei gleichzeitiger, auch mündlicher Mitteilung, gegenüber dem Lagerleiter eigenständig entnehmen konnten und zum Einbau bringen konnten. Sofern diese nicht zur Verwendung kamen, war es ebenfalls üblich, dass die Ersatzteile sodann von dem jeweiligen Monteur wieder auf die Theke zurückgelegt und wieder in den Lagerbestand zurückgeführt werden konnten.

Durch die Geschäftsleitung war die Mitteilung gemacht worden, dass die Auslastung im Vorjahr, dass heißt im Jahr 2013, zu wünschen übrig gelassen habe und alle Monteure bzw. Arbeitnehmer des Unternehmens angehalten würden, die Leistung im Jahr 2014 zu erhöhen, so dass eine deutliche und spürbare Verbesserung der Werkstattauslastung sichergestellt sei.

Im November 2013 führte die Beklagte im Ersatzteillager eine Inventur durch, die ergab, dass Ersatzteile verschwunden waren. Eine erneute Inventur im Februar 2014 ergab wieder im Ersatzteillager einen Fehlbestand. Daraufhin entschied der Betriebsleiter, Herr S , die festgestellten Fehlbestände im Ersatzteillager betriebsöffentlich zu machen und zugleich anzuordnen, dass es mit Ausnahme der im Ersatzteillager beschäftigten Mitarbeitern, den Herren St und L , allen anderen Mitarbeitern des Betriebs untersagt sei, das Ersatzteillager zu betreten und eigenständig Ersatzteile von dort zu entnehmen. Die entsprechende Mitteilung vom 27.02.2014 wurde am schwarzen Brett des Betriebs in E ausgehängt (Kopie ...

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