Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertrag. Differenzierungsklausel
Leitsatz (amtlich)
Eine in einem (Haus-) Tarifvertrag vereinbarte Verpflichtung des Arbeitgebers, gewerkschaftlich nicht und anders organisierte Arbeitnehmer schlechter zu stellen als die Mitglieder der vertragsschließenden Gewerkschaft, ist grundsätzlich unwirksam.
Normenkette
TVG §§ 3-4; GG Art. 2 I
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen 2 Ca 2428/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen die am 10.11.2004 verkündeten Urteile des Arbeitsgerichts Bonn – 2 Ca 2428/04, Klägerin U und 2 Ca 2429/04, Klägerin Y – werden zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufungen der Klägerinnen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen jeweils weitere 385,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus jeweils 55,00 EUR seit dem 15.11.2004, 15.12.2004, 15.01.2005, 15.02.2005, 15.03.2005, 15.04.2005 und 15.05.2005 zu zahlen.
3. Die Kosten der Berufungen und Anschlussberufungen werden der Beklagten auferlegt.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Differenzierungsklausel in einem Firmentarifvertrag.
Die beiden Klägerinnen sind bei der Beklagten als Produktionsarbeiterinnen beschäftigt. Ihr Monatslohn betrug zuletzt 1.871,00 EUR brutto gemäß Lohngruppe L II des Firmentarifvertrages der Beklagten, den diese auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer/innen anwendet. Die Maßgeblichkeit des Haustarifvertrages ist außerdem im Arbeitsvertrag mit der Klägerin U ausdrücklich vereinbart (Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages vom 23.02.1993).
Die Beklagte hat mit der IG Bergbau, Chemie, Energie Landesbezirk N firmentarifvertragliche Regelungen getroffen. Nach § 1 des Firmentarifvertrages gelten für alle kaufmännischen, technischen Angestellten, Meister sowie Auszubildende und alle gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten die zwischen dem Bundesarbeitgeberverband Chemie e. V. und der IG BCE bzw. der Tarifgemeinschaft von Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie und der IG BCE Landesbezirk N abgeschlossenen und in dem Firmentarifvertrag einzeln aufgezählten Tarifverträge als Firmentarifvertrag.
Die Beklagte wandte die firmentarifvertraglichen Regelungen, insbesondere die Vergütungsregelungen, in der Vergangenheit auf alle Arbeitnehmer an unabhängig von einer etwaigen Gewerkschaftszugehörigkeit. Die Klägerinnen sind nicht tarifgebunden.
Mit Wirkung ab 01.10.2003 vereinbarte die Beklagte mit der IG BCE Landesbezirk N die Zahlung einer zusätzlichen monatlichen Vergütung von 55,00 EUR. In Ziffer 2 Satz 2 des Ergebnisprotokolls der Tarifverhandlung vom 26.06.2003 (Bl. 7 d. A.) heißt es dazu:
„… Dieser Tarifvertrag gilt nur für Arbeitnehmer, welche seit dem 1. Juni.2003 Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie sind und bleiben. Für Arbeitnehmer, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, entfällt diese Vergütung bzw. ist eine zu Unrecht bezahlte Vergütung zurückzuzahlen.”
Dementsprechend leistet die Beklagte die 55,00 EUR monatlich nicht an die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer wie die Klägerinnen. Die Klägerinnen begehren die Lohnerhöhung von monatlich 55,00 EUR auch für sich. Außerdem haben sie die Zahlung eines Restbetrages der tariflichen Sonderzahlung auf der Basis des monatlichen Tariflohns von 1.871,00 EUR brutto eingeklagt. Die Beklagte hatte lediglich 1.395,67 EUR brutto (Klägerin U) bzw. 1.422,07 EUR brutto (Klägerin Y) gezahlt. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 660,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 55,00 EUR ab dem 15.11.2003, dem 15.12.2003, dem 15.01.2004, dem 15.02.2004, dem 15.03.2004, dem 15.04.2004, dem 15.05.2004, dem 15.06.2004, dem 15.07.2004, dem 15.08.2004, dem 15.09.2004 und dem 15.10.2004 zu zahlen. Außerdem hat es die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der restlichen Sonderzahlung an die Klägerin U in Höhe von 381,78 EUR brutto und an die Klägerin Y in Höhe von 355,38 EUR brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2004 verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die tarifvertragliche Differenzierungsklausel sei unwirksam, weil in der Verknüpfung von Vergütungsregelung und Gewerkschaftszugehörigkeit, unabhängig von der Höhe der finanziellen Auswirkung, eine Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit durch Ausübung eines unangemessenen Drucks vorliege. Gegen diese Urteile in den zweitinstanzlich miteinander verbundenen Verfahren richten sich die Berufungen der Beklagten. Sie beantragt die Abänderung der Urteile und die Abweisung der Klagen. Sie vertritt die Auffassung, die Differenzierungsklausel sei zulässig, ein inadäquater Druck liege nicht vor. Im Wege der Anschlussberufung haben die Klägerinnen jeweils weitere 385,00 EUR nebst Zinsen in Hö...