Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Versetzung einer Arbeitnehmerin an einen anderen Arbeitsort
Leitsatz (redaktionell)
Mangels eines Verfügungsanspruchs kann eine Arbeitnehmerin, die als Fleischpackerin eingesetzt wird, ihre Versetzung in eine andere Filiale jedenfalls dann nicht im Wege einstweiliger Verfügung verhindern, wenn der Arbeitsort im zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt worden ist, sich ihre Leistungspflicht auch nicht auf den derzeitigen Arbeitsort konkretisiert hat und die Auswahl der Arbeitnehmerin nicht willkürlich, sondern aus sachlichen Gründen erfolgt ist.
Normenkette
GewO § 106; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 22.01.2020; Aktenzeichen 2 Ga 4/20) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22.01.2020 - 2 Ga 4/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Klägerin an einen anderen Arbeitsort zu versetzen.
Die Beklagte betreibt in B und in S Filialen eines Lebensmittelsupermarktes. Die Klägerin ist seit dem 18.11.1996 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.01.2019 ist das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte übergegangen. Die Klägerin war seit ihrem Eintritt durchgängig als Verkäuferin in der Fleischabteilung als Vollzeitkraft eingesetzt.
Der zuletzt - am 12.05.1998 - abgeschlossene Arbeitsvertrag der Klägerin enthält - soweit hiervon Bedeutung - folgende Regelungen:
"Zwischen der Firma a als Arbeitgeber
und
Frau N B (...) als Arbeitnehmer
wird folgender Vertrag geschlossen:
§ 1 Einstellung und Aufgabengebiet
(1) Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 18.05.98 als Fleischpackerin eingestellt.
(2) Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer im Rahmen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen auch in einer anderen Abteilung einsetzen oder ihm andere, zumutbare Tätigkeiten zuweisen.
(...)"
In der Filiale der Beklagten in B werden sechs Teilzeitkräfte, zwei geringfügig Beschäftigte und zwei Vollzeitkräfte beschäftigt. Neben der 59jährigen Klägerin arbeitet noch eine 32jährige Mitarbeiterin in Vollzeit, die auch den Serviceverantwortlichen vertritt.
Die Beklagte versetzte die Klägerin mit Schreiben vom 02.01.2020 zum 06.01.2020 in die Filiale S wegen eines dort bestehenden akuten Personalbedarfs im Servicebereich für eine Vollzeitkraft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, einschließlich des Antrags, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Verfügungsklage abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 65 - 76 d.A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die weiter der Auffassung ist, die Versetzung sei nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt, da der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag B als Arbeitsort festgelegt habe. Die Versetzung entspreche im Übrigen nicht billigem Ermessen. Sie habe bereits im Gespräch mit der Beklagten am 04.12.2019 mitgeteilt, dass sie zwar einen Führerschein habe, aber nicht außerhalb der Ortschaft und insbesondere nicht auf der Autobahn fahre und, dass sie ihre Mutter, die Pflegestufe 2 habe, als Pflegeperson betreue. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, ihren Gesundheitszustand nicht gekannt zu haben. Sie - die Klägerin - sei am Ende jeder Schicht aufgrund der langen Stehzeiten an der Fleischtheke wegen einer ausgeprägten Kniearthrose und dem Verschleiss der Lendenwirbelsäule nach Hause gehumpelt. In der mündlichen Verhandlung überreicht die Klägervertreterin ein Attest des die Klägerin behandelnden Orthopäden vom 17.02.2020.
Auf den am 08.06.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz der Klägerin wird verwiesen. Darin beruft sich die Klägerin vor allem auf ihr gesteigertes Abwehrinteresse wegen durch die Versetzung offensichtlich bestehender erheblicher Gesundheitsgefahren und den Umstand, dass sie nunmehr kein Auto mehr habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, sie als Verkäuferin in der Fleischabteilung der Filiale in 5 , zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie bestreitet, dass die Parteien am 04.12.2019 ein Gespräch mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt geführt haben. Sie bestreitet mit Nichtwissen, die von der Klägerin behaupteten Gesundheitlichen Beschwerden, einschließlich der Angaben in dem Attest vom 17.02.20. Selbst wenn diese Beschwerden vorliegen würden, wäre es der Klägerin möglich die Strecke von 23,8 Kilometern nach B mit dem Auto zurückzulegen. Der Einsatz in S verlängere die Stehzeiten nicht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
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