Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Bundeswehr. Menschenwürde. Witzesammlung. Verdachtskündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Es stellt einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 54 BAT dar, wenn ein Angestellter der Bundeswehr eine sog. „Witzesammlung”, die zu einem erheblichen Teil Judenwitze, Ausländerwitze und sexistische Frauenwitze von eklatant die Menschenwürde verachtendem Charakter enthält, über ein dienstliches MEMO-System in Kenntnis ihres Inhalts weiterverbreitet.

2) Aus rechtstaatlichen Gründen kann eine sog. Verdachtskündigung allenfalls als Ausnahmetatbestand anerkannt werden. Deshalb muss der eine Verdachtskündigung rechtfertigende Verdacht so dringend sein, dass er nur knapp unter der Schwelle der Gewißheit liegt und nachhaltigen Zweifeln Schweigen gebietet.

 

Normenkette

BAT §§ 54, 8; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 03.09.1998; Aktenzeichen 4 Ca 681/98)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 03.09.1998 – 4 Ca 681/98 – teilweise wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 12.01.1998, zugegangen am gleichen Tage, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsanspruch weiterzubeschäftigen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz werden der Klägerin zu 1/6 und der Beklagten zu 5/6 auferlegt, ebenso die Kosten der Berufungsinstanz bis zur Teil-Rücknahme der Berufung vom 10.08.1999. Ab diesem Zeitpunkt trägt die Kosten der Berufungsinstanz die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung.

Die am 30.11.1961 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.01.1984 als Zivilangestellte beim in Köln-Porz beschäftigt. Gemäß § 2 des Anstellungsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag. Die Klägerin ist in Vergütungsgruppe BAT VI b eingruppiert. Ihr monatliches Gehalt betrug zuletzt 3.733,88 DM brutto. Die Klägerin ist als Schwerbehinderte anerkannt mit einem Behinderungsgrad von 50 %.

Der Arbeitsplatz der Klägerin ist über ein zentrales EDV-Netz an das sogenannte Kommunikationssystem MEMO angeschlossen, über welches die einzelnen Dienststellen der Bundeswehr miteinander kommunizieren können. Der Klägerin steht eine sogenannte MEMO-Box zur Verfügung, in welcher über das System zugeleitete Informationen und Texte abgespeichert werden können.

Am 23.07.1996 erhielt die Klägerin von einem Angestellten der Bundeswehr aus namens über das MEMO-System unaufgefordert eine umfangreiche, auf vier Dateien verteilte sogenannte Witzesammlung, die sich im ausgedruckten Zustand über 32 engbedruckte DIN A 4-Seiten erstreckt. Seperat hierzu erhielt die Klägerin einen sogenannten Bayerischen Sprachtest. Der Angestellte war der Klägerin persönlich unbekannt. Er hatte sich die MEMO-Kennung der Klägerin willkürlich aus einem ihm vorliegenden Benutzerverzeichnis herausgegriffen und wenige Tage vor Überspielen der „Witzesammlung” erstmals über das MEMO-System mit der Klägerin Kontakt aufgenommen.

In der sogenannten „Witzesammlung” befand sich, auf verschiedene Stellen verstreut, eine größere Anzahl rassistischer, antisemitischer und sexistischer Witze von unstreitig übelster Machart. Wegen des vollständigen Inhalts der „Witzesamm-lung” und ihrer Gestaltung in ausgedruckter Form wird auf Bl. 53 ff. d. A. verwiesen.

Die Klägerin überspielte die „Witzesammlung” noch am Tage ihres Erhalts auf den PC des Hauptfeldwebels , der sich mit der Klägerin ein Dienstzimmer teilte, sowie auf das System der Angestellten . Diese wiederum überspielte die Sammlung zu einem späteren Zeitpunkt der Angestellten . In der Folgezeit erhielt die Klägerin von dem Angestellten nochmals einzelne Witze, deren Inhalt nicht mehr bekannt ist, und überspielte diesem auch ihrerseits einige Witze, die sie von einer Bekannten namens zugespielt erhalten hatte.

Etwa ein Jahr, nachdem der Klägerin die große „Witzesammlung” überspielt hatte, bat er die Klägerin, ihm diese „Witzesammlung” zurückzuübertragen, da er sie seinerseits in seinem eigenen System gelöscht gehabt habe. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt war die „Witzesammlung” auch in der MEMO-Box der Klägerin bereits gelöscht. Um dem Wunsch des Angestellten nach einer Rückübertragung der Sammlung nachkommen zu können, ließ sich die Klägerin daher die „Witzesammlung” in der noch in der MEMO-Box des Hauptfeldwebels vorhandenen Fassung von diesem überspielen.

Am 03.12.1997 machte ein Oberstleutnant des , der die ursprüngliche „Witzesammlung” von der Angestellten überspielt erhalten hatte, wegen der rassistischen Teile der Sammlung Meldung. Nach zweimaliger Anhörung der Klägerin am 12.12. und 19.12.1997, nach Anhörungen der Angestellten , und sowie des Soldaten entschloß sich die Beklagte zur fristlosen Kündi...

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