Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der Ablehnung eines nicht den Form- und Fristvorgaben entsprechenden Weiterbeschäftigungsangebots hinsichtlich des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Sozialplanabfindung
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf eine Sozialplanabfindung entfällt aufgrund entsprechender Regelungen der Betriebsparteien nicht dadurch, dass ein Arbeitnehmer ein angemessenes Angebot auf Weiterbeschäftigung im Konzern ablehnt, wenn der Arbeitgeber die von ihm in der Betriebsvereinbarung selbst mitbestimmten Form- und Fristvorgaben für das Weiterbeschäftigungsangebot nicht einhält, insbesondere wenn das Weiterbeschäftigungsangebot nicht in Form eines dreiseitigen Vertrages unterbreitet wird.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1, § 112 Abs. 1 S. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 31.10.2018; Aktenzeichen 3 Ca 579/18) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 31.10.2018 (3 Ca 579/18) wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren noch über einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung.
Die Beklagte stellte Abwasserpumpen her. Sie unterhielt einen Betrieb in L , der zwischenzeitlich zum 31.12.2017 stillgelegt wurde. Dort waren regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt, wobei die Beklagte insofern behauptet, dass es rund 180 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gewesen seien. In dem Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet, der derzeit das sog. Restmandat ausübt. Die Beklagte ist zudem in eine Konzernstruktur eingebunden. Die Beklagte hat im Jahre 2018 ihren Sitz von L nach B verlegt.
Die S W , die eine weitere konzernangehörige Gesellschaft ist, hat ebenfalls in B einen Betrieb.
Die Klägerin, geboren am 1987 und wohnhaft in L , war bei der Beklagten ab dem 01.08.2006 zunächst als technische Zeichnerin (bis zum Abschluss ihrer Ausbildung) und seit dem 01.01.2016 - aufgrund einer Zusatzvereinbarung vom 22.01.2016 (Bl. 99, 234 d.A.) - als (Entwicklungs-)Ingenieurin in der Abteilung Konstruktion tätig. Bezüglich des ursprünglichen Arbeitsvertrages vom 29.06.2009 wird auf Bl. 231 - 233 d.A. Bezug genommen. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 4.938,45 Euro. Im Jahre 2017 erhielt die Klägerin ein Weihnachtsgeld iHv. 2.716,15 Euro brutto und ein Urlaubsgeld iHv. 3.358,08 Euro brutto, was zusammen ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt iHv. 5.261,67 Euro ergibt.
Die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat schlossen angesichts der beabsichtigten Betriebsstilllegung - ausgehend von einem sog. Eckpunktepapier vom 31.07.2017 (Bl. 212 - 214 d.A.) - in der Einigungsstelle, die ab dem 15.06.2017 insgesamt sieben Mal tagte, am 11.10.2017 eine "Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan" (nachfolgend auch: "BV") ab. Bezüglich deren vollständigen Wortlauts - ohne Anlagen - wird auf Bl. 8-27 d.A. Bezug genommen. Diese Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
"...
I.
BV-Interessenausgleich
...
2. Maßnahme
Der Standort ... L wir zum 31.12.2017 stillgelegt.
3. Umsetzung der Maßnahme
...
3.2 Umsetzung der Maßnahme im Einzelnen
3.2.1 Angebote auf "Weiterbeschäftigung im Konzern"
[Absatz 1] Die in Anlage 2a namentlich genannten Mitarbeiter erhalten das Angebot, ab dem 01.01.2018 die dort jeweils genannte Position der ebenfalls jeweils genannten Gesellschaft auszuüben ("Weiterbeschäftigung im Konzern"). Das Angebot wird spätestens zum 16.10.2017 mit dem als Anlage 2b beigefügten Schreiben ausgesprochen und muss bis spätestens zwei Wochen nach Zugang schriftlich angenommen werden (Ausschlussfrist).
[Absatz 2] Für den Fall, dass einer der Mitarbeiter nach Ziffer 3.2.1 ein Angebot wegen fehlender Angemessenheit zurückweisen sollte, besteht insoweit ein Nachverhandlungsanspruch des Betriebsrats. Kommt es nicht zu einer Einigung, entscheidet über die Berechtigung der Ablehnung des Vertragsangebots die Einigungsstelle gemäß Ziffer 1.2.3. des Sozialplans in ihrer bisherigen Besetzung.
[Absatz 3] Erfolgte die Ablehnung des Angebots wegen dessen fehlender Angemessenheit berechtigt, gilt Ziffer 3.2.4. bzw. 3.2.8 entsprechend. Der betroffene Mitarbeiter hat ausschließlich einen Anspruch auf eine Abfindung gemäß Ziffer 6 des Sozialplans. Dieser wird nicht aus dem Budget gemäß Ziffer 7 des Sozialplans finanziert, sondern vom Arbeitgeber gesondert geleistet.
[Absatz 4] Mitarbeiter, die ein Angebot nach Maßgabe dieser Vorschrift erhalten, sind im Falle der unberechtigten Ablehnung nicht abfindungsberechtigt nach Ziffer 6 des Sozialplans.
....
3.2.8 Betriebsbedingte Kündigungen
Gegenüber Mitarbeitern, die das Angebot nach Ziff. 3.2.1 nicht annehmen ..., spricht das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen ... aus. ...
4. Sozialplan
Zum Ausgleich bzw. der Milderung der sich aus der Umsetzung der in Ziff. 2 beschriebenen Maßnahmen ergebenden sozialen Härten vereinbaren die Betriebsparteien einen Sozialplan. Dieser bilde...