Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil. Anforderungen an die Organisation der Entgegennahme der Geschäftspost in einem Hotelbetrieb
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt ein erhebliches Organisationsverschulden in eigenen Angelegenheiten dar, wenn diejenige Person, die sich im Auftrag der selbst ortsabwesenden Geschäftsführung in einem Hotelbetrieb um die eingehende Geschäftspost zu kümmern hat, sich für nahezu 6 Wochen ins Ausland begibt, ohne dass eine entsprechende Vertretung geregelt ist.
2. Der anwaltliche Prozessbevollmächtigte eines Klägers ist ohne besonderen Anlass nicht verpflichtet, den Anwalt der Gegenseite in einem Nachfolgeprozess derselben Parteien im Passivrubrum als zustellungsbevollmächtigt anzugeben.
Normenkette
ZPO §§ 180, 215, 233, 235
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 29.04.2019; Aktenzeichen 3 Ca 130/19) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 18.02.2019; Aktenzeichen 3 Ca 130/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 29.04.2019 in Sachen 3 Ca 130/19 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in prozessrechtlicher Hinsicht um die Zulässigkeit eines Einspruchs der Beklagten gegen ein erstinstanzlich erlassenes Versäumnisurteil und in der Sache um restliche Vergütungsansprüche des Klägers aus einem zum 30.09.2018 beendeten Arbeitsverhältnis.
Die Parteien hatten zunächst vor dem Arbeitsgericht Bonn einen Kündigungsschutzprozess geführt. In diesem waren die Parteien durch dieselben Prozessbevollmächtigten vertreten wie im vorliegenden Verfahren. Der Kündigungsschutzprozess endete durch Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.10.2018 mit dem Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.09.2018 sein Ende gefunden hat. Zu diesem Zeitpunkt standen die nicht dem Grunde, sondern nur der Höhe nach streitigen Vergütungsansprüche des Klägers für den Zeitraum Mai bis September 2018 sowie eine von diesem bereits zuvor außergerichtlich geltend gemachte Überstundenforderung offen. Nachdem Vergleichsgespräche über die Zahlungsforderungen des Klägers im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses und auch außergerichtlich zu keiner Einigung geführt hatten, setzte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten gerichteten Schreiben vom 20.11.2018 für die Begleichung der streitigen Zahlungen in Höhe von 13.943,44 € netto eine Zahlungsfrist bis zum 27.11.2018. Dabei kündigte er an, nach fruchtlosem Fristablauf den Anspruch gerichtlich geltend zu machen (Bl. 30 f. d. A.).
Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Reaktion auf sein Schreiben vom 20.11.2018 erhalten hatte, erhob er die vorliegende Zahlungsklage, welche am 24.01.2019 beim Arbeitsgericht einging. Im Rubrum der Klageschrift war der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht aufgeführt. Ausweislich zweier bei der Gerichtsakte befindlicher Postzustellungsurkunden (Bl. 43, 44 d. A.) wurde eine beglaubigte Abschrift der Klage sowie eine Ladung zum Termin vom 18.02.2019, 12:00 Uhr, beiden Beklagten am 29.01.2019 durch den Postzusteller J S per Einwurf in den zu dem Geschäftsraum auf dem Anwesen B S bis gehörenden Briefkasten zugestellt. Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Bonn am 18.02.2019 erschien für die Beklagten niemand. Das Arbeitsgericht erließ daraufhin auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil. Das Versäumnisurteil vom 18.02.2019 wurde beiden Beklagten durch den Postzusteller J S am 22.02.2019 mittels Übergabe an den an der Rezeption des A Hotels tätigen Mitarbeiter I M zugestellt. Am 04.04.2019 legte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein und beantragte am 12.04.2019 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Zwischenzeit hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Einsicht in die gerichtliche Prozessakte genommen.
Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben die Beklagten wie folgt begründet: Der Beklagte zu 1), zugleich Geschäftsführer der Beklagten zu 2), halte sich mit seiner Familie regelmäßig im I auf, wo er auch geschäftlich tätig sei. Örtlicher Vertreter des Beklagten zu 1) in B in persönlichen, aber auch geschäftlichen Angelegenheiten der Beklagten zu 2), sei Herr R M . Herr M kümmere sich während der Abwesenheit des Beklagten zu 1) um die eingehende Post. Das am 22.02.2019 zugestellte Versäumnisurteil habe er jedoch nicht zur Kenntnis nehmen können, weil er sich vom 11.02. bis 21.03.2019 selber geschäftlich im I aufgehalten habe. Nach seiner Rückkehr sei er zunächst wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung seiner Tochter nicht in der Lage gewesen, sich um die bei dem Beklagten eingegangene Post zu kümmern. Daher habe er das vom Arbeitsgericht übersandte Versäumnisurteil erst gesehen, nachdem sich der gesundheitliche Zustand seiner Tochter, die am 29.03.201...