Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumnisurteil. rechtsstaatliche Verfahren. Einspruch. Wiedereinsetzung. Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Arbeitsgericht auf die Bitte um „Änderung des Passivrubrums” mit der Anzeige eines Parteiwechsels in widersprüchlicher Verfahrensweise einen neuen Gütetermin anberaumt, mit einer neuen Ausfertigung der ursprünglichen Klage und des genannten Schriftsatzes nur die neue Partei geladen und den für die Beklagtenseite bestellten Rechtsanwalt nicht benachrichtigt, dann kann es wegen des „allgemeinen Prozeßgrundrechts” auf ein faires Verfahren (BVerfG) gehindert sein, in diesem Termin ein Versäumnisurteil zu erlassen.
2. Zur evtl. Unschlüssigkeit einer Klage gegen den „Betriebserwerber” (§ 613 a BGB) nach Rücknahme der Kündigungsschutzklage gegen den „Veräußerer” (§ 335 ZPO).
3. Die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens beim Erlaß eines Versäumnisurteils wird nur auf einen zulässigen Einspruch geprüft; auch ein etwaiger Verfassungsverstoß (Leitsatz 1) wirkt sich nicht mehr aus, wenn die Zustellung des Versäumnisurteils mit dem ordnungsgemäßen Rubrum ebenfalls nur an die neue Partei erfolgt ist.
4. Die Einspruchsfrist ist schuldhaft versäumt, wenn die Geschäftsführung einer neugegründeten GmbH nach der Zustellung von Klage, Ladung und Versäumnisurteil und nach dem Empfang einer schriftlichen Geltendmachung von Lohnansprüchen unter Hinweis auf das Versäumnisurteil mehr als zwei Monate lang und bis nach der Zustellung der insoweit auch angedrohten Klage in dem Irrtum verharrt, in dieser Angelegenheit werde der namens der ursprünglichen Beklagten, einer bereits aufgelösten GmbH, beauftragte Rechtsanwalt für sie tätig werden.
Normenkette
ZPO §§ 341-343, 335, 331, 233-234, 176, 261-263, 269; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; BGB § 613a; KSchG §§ 7, 4
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 07.01.1998; Aktenzeichen 4 h Ca 49/97) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.01.1998 – 4 h Ca 49/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar (§ 78 Abs. 2 ArbGG).
Beschwerdewert: 11.850,00 DM.
Tatbestand
I. Der Kläger hat wegen einer ihm mit dem Schreiben vom 31.12.1996 (Bl. 4 d. A.) am 06.01.1997 zugegangenen Kündigung eine Feststellungsklage gemäß § 4 KSchG am 20.01.1997 bei dem Arbeitsgericht eingereicht und zugleich als Antrag zu 2) die Feststellung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und als Antrag zu 3) die Weiterbeschäftigung verlangt.
Das genannte Kündigungsschreiben trägt den Briefkopf „Bedachungen H. J. Sch GmbH” und nennt als Postabsender „H. J. Sch GmbH”; es lautet unter anderem:
„Hiermit wird das Arbeitsverhältnis zwischen A Scha und der Fa. Bed. Sch GmbH, als Geschäftsführer Hans Jürgen Sch, zum 17.01.1997 gekündigt…”
Die Unterschrift lautet lediglich „Sch „.
Die Klageschrift bezeichnet die Beklagte mit „Fa. H. J. Sch GmbH” und ist unter der dazu gehörigen Anschrift am 27.01.1997 zugestellt worden (Bl. 6 d. A.).
Die Firma „Bedachungen H. J. Sch GmbH” ist seit dem 10.09.1993 mit ihrem Geschäftsführer Hans Jürgen Sch im Handelsregister eingetragen gewesen (HRB 0520 AG G, vgl. Auszug Bl. 13 d. A.).
Im Gütetermin vom 27.02.1997 ist für die verklagte Partei Rechtsanwalt S aufgetreten, und das Verfahren wurde einvernehmlich ruhend gestellt, nachdem das Gericht auf ein wegen der gleichen Kündigung anhängiges weiteres Verfahren (4 h Ca 60/97) hingewiesen hatte.
Mit Schreiben vom 25.03.1997 (Eingang 26.03.1997) teilte Rechtsanwalt S dem Gericht mit, die Beklagte habe inzwischen umfirmiert auf „R. F. D GmbH”, nach einem Konkursantrag der Beklagten sei Sequestration angeordnet. Unter dem 05.05.1997 (Eingang 07.05.1997) mahnte Rechtsanwalt S eine Klärung der Frage an, wer nunmehr für den Kläger die entsprechenden Verfahren durchführen sollte. Er teilte ferner mit Schriftsatz vom 17.05.1997 (Eingang 15.05.1997) den Handelsregisterauszug zur Firmenänderung, das Aktenzeichen des Konkursverfahrens und den Namen des Sequesters mit. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers (DGB) legte mit Schriftsatz vom 31.07.1997 (Eingang 01.08.1997) das Mandat nieder.
Rechtsanwalt W, der jetzige Prozeßbevollmächtigte des Klägers, hat mit Schriftsatz vom 04.08.1997 (Eingang 08.08.1997) dem Gericht mitgeteilt, das Passivrubrum werde dahin berichtigt, daß sich die Klage jetzt richte gegen die „Firma Bedachungen Sch GmbH i. G., vertreten durch Herrn Hans Jürgen Sch, … (Anschrift)”, er bitte um einen Termin zur Güteverhandlung. Er führte aus, die Berichtigung sei darauf zurückzuführen, daß der Betrieb zum 01.02.1997 übergegangen sei und § 613 a BGB Anwendung finde (Bl. 15 f. d. A.).
Das Arbeitsgericht hat mit der Verfügung vom 11.08.1997 einen Gütetermin anberaumt und angeordnet, den Schriftsatz vom 04.08.1997 zusammen mit einer Ausfertigung der Klage vom 20.01.1997 und mit der Ladung zum Gütetermin an die genannte „GmbH i. G.” zuzustellen, was am 12.08.1997 in der Wohnung des Geschäftsführers durch Niederlegung ...