Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinreichende Bestimmtheit einer Bruttolohnklage. Intransparenz einer vertraglichen Ausschlussklausel. Keine Aufrechnung gegen eine Bruttolohnforderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Bruttoentgelt unterliegt öffentlich-rechtlichen Abzügen. Die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen. Dementsprechend kann die Lohnzahlungsklage auf den Bruttobetrag gerichtet werden.

2. Eine vertragliche Ausschlussklausel ist intransparent und damit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB insgesamt unwirksam, wenn sie entgegen § 3 Satz 1 MiLoG auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasst.

3. Erklärt der Arbeitgeber die Aufrechnung gegen eine Bruttolohnforderung des Arbeitnehmers, fehlt es an der Gegenseitigkeit der Forderung i.S.d. § 387 BGB, da der Arbeitnehmer zwar Gläubiger der Bruttolohnforderung ist, sie sich jedoch hinsichtlich der auf die Sozialversicherungsbeiträge und der auf die Steuern entfallenden Teile auf Zahlung an die Sozialversicherungsträger und an das Finanzamt richtet.

 

Normenkette

BGB § 307; MiLoG § 3; BEEG § 17; BGB §§ 387, 389, 306 Abs. 1-2, § 310 Abs. 3, §§ 611a, 615; BUrlG § 7 Abs. 4; MiLoG § 1 Abs. 1-2; ZPO §§ 253, 850 Abs. 1, § 850e Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 11.01.2021; Aktenzeichen 2 Ca 7873/20)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2021 - 2 Ca 7873/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges und um Urlaubsabgeltung.

Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Privatpraxis für Physiotherapie und Osteopathie betreibt, in der Zeit vom 01.04.2016 bis zum 31.05.2020 als teilzeitbeschäftigte Büroangestellte zu einem Bruttomonatsverdienst von 1.450,00 € auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 14.03.2016 beschäftigt. Der Anstellungsvertrag enthält in § 10 u. a. eine dreimonatige Ausschlussfrist hinsichtlich der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag. Wegen der Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 14.03.2016 wird auf Bl. 23 f. d. A. verwiesen.

Die Klägerin war im Anschluss an ein Beschäftigungsverbot ab dem 09.09.2016 in der Zeit von April 2017 bis zum 02.04.2020 in Elternzeit.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.04.2020 ordentlich zum 01.05.2020 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Bl. 25 d. A.). Bis einschließlich April 2020 hat der Beklagte das Gehalt der Klägerin bezahlt.

Mit rechtskräftigem Anerkenntnisurteil vom 04.09.2020 stellte das Arbeitsgericht Köln - 1 Ca 1840/20 - u.a. fest, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf des 31.05.2020 beendet worden ist (Bl. 5 f. d. A.).

Mit E-Mail vom 09.10.2020 (Bl. 8 d. A.) bat die Klägerin den Beklagten, ihr das Gehalt für Mai 2020 zu überweisen und neun Urlaustage aus dem Jahr 2016 abzugelten. Die Klägerin wiederholte dieses Ansinnen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.10.2020 unter Angabe bezifferter Bruttobeträge (Bl. 9 f. d. A.).

Mit Urteil vom 11.01.2021 hat das Arbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.202,85 € brutto nebst Verzugszinsen verurteilt (Bl. 32 ff. d. A.). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte schulde für den Monat 2020 Lohn aufgrund Annahmeverzug. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist sei unwirksam, weil intransparent, denn sie erfasse auch den gesetzlichen Mindestlohn. Zudem schulde der Beklagte noch die Abgeltung von neun Urlaubstagen aus dem Jahre 2016. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm 20.01.2021 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.02.2021 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 20.04.2021 begründet.

Der Beklagte meint, die Klage auf Zahlung eines Bruttobetrags sei weder hinreichend bestimmt noch vollstreckbar. Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2016 seien aufgrund arbeitsvertraglicher Verfallsklausel verfallen bzw. verjährt. Da es für die Branche des Beklagten keinen Mindestlohn gebe, könne die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist auch nicht unwirksam sein. Der Beklagte verwende als Kleinstbetrieb keine Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die Klägerin habe die ersten drei Wochen im Mai 2020 unentschuldigt gefehlt. Hilfsweise werde mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet. Zum einen wegen des Ausfalls von Terminen in Höhe von 1.500,00 € und wegen unberechtigter Kontopfändung in Höhe von pauschal 500,00 €.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2021 (Az.: 2 Ca 7873/20) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin...

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