Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Aufrechnung zwischen Bruttoforderungen. Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Juristische Textbausteine keine schöpferische Leistung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aufrechnung zwischen zwei Bruttoforderungen ist mangels Gegenseitigkeit unwirksam und verstößt zudem gegen § 394 BGB.

2. Textbausteine einer angestellten Rechtsanwältin genießen keinen Urheberrechtsschutz.

 

Normenkette

BGB §§ 387, 389, 812; UrhG § 97; ZPO § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 06.06.2019; Aktenzeichen 6 Ca 6642/18)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.06.2019 - 6 Ca 6642/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um Mehrarbeitsvergütung und Urlaubsabgeltung sowie im Wege der Widerklage um Rückforderung von Vergütung und Untersagung der Nutzung von Textbausteinen, Auskunft über Besitz und Nutzung der Textbausteine, Löschung der Textbausteine sowie Schadensersatz bzw. ungerechtfertigter Bereicherung wegen Nutzung der Textbausteine.

Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Anwaltskanzlei betreibt, seit dem 01.03.2018 als Rechtsanwältin zu einem Monatsentgelt von 3.200,00 € brutto befristet angestellt. Grundlage des Anstellungsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 01.03.2018, der u. a. in § 1 Abs. 5 Satz 4 die Zustimmung des Beklagten zu einer Nebentätigkeit der Klägerin in einem Umfang von sechs Stunden die Woche als Tanzlehrerein beinhaltet, in § 3 Abs. 1 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden ausschließlich Pausen und in § 3 Abs. 5 die Führung eines Arbeitszeitkontos vorsieht. Ferner war eine sechsmonatige Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist vereinbart (§ 2 Abs. 2). Wegen der weiteren Einzelheiten des Anstellungsvertrages wird auf Bl. 5 ff. d. A. verwiesen.

Unter dem 14.08.2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2018. Am 15.08.2018 nahm die Klägerin letztmalig einen Gerichtstermin war. Es folgten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 16.08.2028 für den 16.08.2018 und 17.08.2018 (Erstbescheinigung), vom 20.08.20218 für den "22.08.11" bis 24.08.2018 (Folgebescheinigung) sowie vom 27.08.2018 für die Zeit bis zum 31.08.2018 (Folgebescheinigung). Der Beklagte hat die Zeit bis zum 31.08.2018 vergütet.

Am 29.08.2018 hat die Klägerin Tanzunterricht gegeben. An diesem Tag suchte die ebenfalls bei dem Beklagten angestellte Rechtsanwältin M das Tanzstudio auf und traf auf die Klägerin. Mit welchem Inhalt sich die Klägerin gegenüber der Zeugin M geäußert hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.06.2019 (Bl. 184 ff. d. A.) den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin Mehrarbeitsvergütung für 4 Stunden und 27 Minuten i. H. v. 82,15 € brutto sowie Urlaubsabgeltung für acht Tage i. H. v. 984,64 € brutto jeweils nebst Verzugszinsen zu zahlen. Die Aufrechnung des Beklagten wegen ungerechtfertigter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall blieb erfolglos, da der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht hinreichend erschüttert sei. Im Wege der Widerklage hat das Arbeitsgericht die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 10,00 € aus dem Gesichtspunkt der Überzahlung eines Job-Tickets zu zahlen. Im Übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Dies betrifft u. a. die Untersagung der Nutzung übersandter Textbausteine mangels Rechtsgrundlage. Herausgabe- und Stufenklage sowie Schadensersatzklage seien unzulässig. Mangels erforderlicher Schöpfungshöhe seien die Textbausteine kein urheberrechtlich geschütztes Werk. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 10.07.2019 zugestellte Urteil am 09.08.2019 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 10.10.2019 begründet.

Der Beklagte meint unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags, dass aufgrund der von ihm vorgetragenen Verdachtsmomente der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttert sei. Die Klägerin habe am 14.08.2018 urheberrechtlich geschützte Textwerke des Beklagten von der dienstlichen auf ihre private E-Mail-Adresse übersandt. Es bestehe der dringende Verdacht, dass die Textbausteine künftig auch genutzt werden. Es handele sich um Textbausteine mit dem Inhalt unveröffentlichter, durch den Beklagten erkämpfter Rechtsprechung, auf die verwiesen und Bezug genommen werde.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 06.06.2019 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichtes Köln, Az: 6 Ca 6642/18,

  1. die Klage abzuweisen;
  2. die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an den Beklagten weitere 623,59 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten üb...

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