Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch einer schwerbehinderten Purserette gegen die arbeitgebende Fluggesellschaft auf Vergütung Vergütung für ihre Teilfreistellung als Personalvertretungsmitglied
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit entsprechend dem aus § 37 Abs. 2 BetrVG und dem Grundsatz der Ehrenamtlichkeit in § 37 Abs. 1 BetrVG folgenden Lohnausfallprinzip den Betriebsratsmitgliedern nur dasjenige Entgelt zusteht, das sie verdient hätten, wenn sie anstelle der Betriebsratstätigkeit während ihrer Arbeitszeit die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht hätten, sie also weder eine Amtsvergütung erhalten noch die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung darstellt, sind diese Grundsätze, da die entsprechende Norm in § 37 TV-PV an § 37 BetrVG angelehnt ist und ebenfalls eine ehrenamtliche Tätigkeit vorsieht, auf die Personalvertretungstätigkeit übertragbar.
2. Für die Berechnung des Arbeitsentgelts nach dem Lohnausfallprinzip reicht es aus, die Forderung auf einen hypothetischen Geschehensablauf zu stützen. Zur Begründung eines Anspruchs auf Mehrflugstundenvergütung nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 37 Abs. 9 TV-PV ist demnach ein hypothetischer Geschehensablauf zu schildern, der darauf schließen lässt, dass ohne Freistellung eine höhere Anzahl an Flugstunden erreicht worden wäre und sich entsprechend eine Mehrflugstundenvergütung in der geltend gemachten Höhe ergeben hätte.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 611a Abs. 2; BetrVG § 117 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 15.08.2023; Aktenzeichen 4 Ca 1745/23) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2023 - 4 Ca 1745/23 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2018 bis 2021.
Die Beklagte ist eine große deutsche Fluggesellschaft. Bei ihr besteht entsprechend § 117 Abs. 2 BetrVG eine durch Tarifvertrag eingerichtete Personalvertretung für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer.
Die am 1963 geborene, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Klägerin ist bei der der Beklagten seit dem 06.11.1982 auf Basis des Arbeitsvertrages vom 16.12.1982 (Bl. 65 der erstinstanzlichen Akte) beschäftigt, zuletzt als Purserette. Die Klägerin war bis zum 31.05.2022 teilfreigestelltes Personalvertretungsmitglied der gewählten Gruppenvertretung Kabine. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin zudem wirksam zur Stellvertreterin der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt wurde. Neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Personalvertretungsmitglied unter Freistellung für die Sitzungswochen und weiteren Teilfreistellungen war die Klägerin weiterhin im fliegerischen Dienst tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal der D Aktiengesellschaft (Bl. 158 ff. der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden: MTV) "Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 2 für das Bordpersonal der D Aktiengesellschaft" (Bl. 136 ff. der erstinstanzlichen Akte, im Folgenden: TV PV) Anwendung.
§ 37 TV-PV lautet wie folgt:
"§ 37 Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(1) Die Personalvertreter führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Wegen der Besonderheiten des fliegerischen Berufs erfolgen Freistellungen nach § 38 dieses Tarifvertrages.
(3) frei
(4) frei
(5) Für die Teilnahme an einer Sitzung in Wahrnehmung von Personalvertretungstätigkeit während der Freizeit ist entsprechender tageweiser Freizeitausgleich einzuplanen.
(6) Das Arbeitsentgelt eines Personalvertreters darf einschließlich eines Zeitraums von 1 Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Mitarbeiter mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers. Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Personalvertreter einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Satz 1 genannten Mitarbeiter gleichwertig sind.
(7) Jeder Personalvertreter ist berechtigt, bis zu 3 Wochen während seiner regelmäßigen Amtszeit an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilzunehmen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Personalvertreter erforderlich sind. Die Personalvertretung hat die Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen entsprechend den Anforderungen des Flugbetriebs mit dem Arbeitgeber abzustimmen. Bei Meinungsverschiedenheiten kann der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Personalvertretung.
(8) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 7 hat jeder Personalvertreter während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Woc...