Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung. Oberarzt. selbständigen Teilbereich. medizinische Verantwortung
Leitsatz (amtlich)
1. Unter einem „selbständigen Teilbereich der Klinik bzw. Abteilung” nach § 16 TV-Ärzte/VKA ist eine fachliche Untergliederung mit eigener Aufgabenstellung zu verstehen, die organisatorisch verselbständigt ist.
2. Die Letztverantwortung des Chefarztes, die regelmäßig alle Teilbereiche der Klinik bzw. Abteilung umfasst, steht der Bejahung einer davon abgeleiteten medizinischen Verantwortung eines Oberarztes für einen Teilbereich oder mehrere Teilbereiche nicht entgegen.
3. Auch nach § 15 TV-Ärzte/VKA ist die ärztliche Tätigkeit bei der Patientenversorgung regelmäßig ohne Rücksicht auf Einzelaufgaben als ein einheitlicher Arbeitsvorgang anzusehen. Zudem dient die Leitung von Teilbereichen durch einen Oberarzt – wie regelmäßig Leitungstätigkeiten – einem einheitlichen Arbeitsergebnis (großer Arbeitsvorgang), da er jederzeit und sofort in der Lage sein muss, aktiv durch Erteilung der erforderlichen fachlichen Weisungen die ärztlichen Leitungsaufgaben wahrzunehmen.
Normenkette
Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA) § 15; Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern vom 17. August 2006 (TV-Ärzte/VKA) § 16
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 27.03.2008; Aktenzeichen 4 Ca 2420/07 G) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 27.03.2008 – 4 Ca 2420/07 G – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 7.993,83 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils EUR 614,91 brutto seit dem 01.10.2006, 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007, 01.07.2007, 01.08.2007, 01.09.2007
und 01.10.2007 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 01.08.2006 in die Entgeltgruppe III/Stufe 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an den Kommunalen Krankenhäusern vom 17.08.2006 eingruppiert ist.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/36 und die Beklagte zu 35/36.
3. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für die Zeit ab August 2006 nach der Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern vom 17. August 2006 (im Folgenden: TV-Ärzte/VKA) zu vergüten.
Der Kläger, geboren am 21. Juni 1959, ist bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1993 beschäftigt. Nach Bestehen der Facharztprüfung im Jahr 1996 war er als Facharzt für Psychiatrie tätig. Ab 1998 arbeitet er als Oberarzt in der Psychiatrischen Klinik II der Beklagten, deren Schwerpunkt in der Behandlung älterer Menschen im Sinne einer Psychiatrie der zweiten Lebenshälfte liegt. Weitere Schwerpunkte sind die Psychotherapie und die Behandlung von Menschen mit somatischen und psychiatrischen Störungen.
Die Psychiatrischen Klinken der Beklagten mit Standorten in G und M umfassen die drei Abteilungen „Allgemeinpsychiatrie”, „Gerontopsychiatrie/Psychosomatik/Psychotherapie” sowie „Suchtkrankheiten” mit 240 Betten bzw. Behandlungsplätzen.
In einem dem Kläger erteilten Zwischenzeugnis vom 24. Mai 2007, das neben der Chefärztin auch der stellvertretende Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet hat, heißt es u. a.:
„In seiner oberärztlichen Tätigkeit obliegt ihm die Leitung von zwei Stationen der Psychiatrie der zweiten Lebenshälfte mit der Bereichs- und Organisationsverantwortung. Inhaltlich übernimmt er insbesondere die fachliche Aufsicht für die Assistenzärzte, er fördert die konzeptionelle Entwicklung der Stationen im Sinne einer systemischen Weiterentwicklung, er hat stationsübergreifende Therapieangebote wie Infogruppe und kognitives Training implementiert. Herr S. lenkt auf den Stationen besonders das dynamische interaktionelle Geschehen in der Patientengruppe und im Team mit herausragender Leitungskompetenz …. Darüber hinaus ist er in die kollegiale oberärztliche Vertretung in der Tagesklinik und der Psychotherapiestation eingebunden …. Er vertritt die Chefärztin in der Behandlung von Privatpatienten sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich …. Er ist eingebunden in die ausgedehnte konsiliar-oberärztliche Tätigkeit mit psychiatrischen Konsilen aus allen somatischen Fachbereichen …. Sein Aufgabengebiet (in der von ihm ab 2005 aufgebauten) psychiatrischen Institutsambulanz besteht besonders in der ärztlichen Begleitung schwieriger chronisch-kranker Menschen und demenzkranker Patienten sowie deren Angehöriger, darüber hinaus jedoch auch in Behandlungen aus dem Gebiet der Psychosen und der schweren neurotischen Erkrankungen, die im sonstigen ambulanten System die üblichen Wartezeiten nicht verkraften könnten. Dieses Setting ist verbunden mit einer Klärung ...