Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeit. AGB-Kontrolle. Blue-pencil-Test. Arbeitszeitaufstockung

 

Leitsatz (redaktionell)

Macht der Arbeitgeber von einem vermeintlichen Recht Gebrauch, die Arbeitszeitdauer flexibel zu bestimmen, kommt § 296 BGB nicht zur Anwendung. Vielmehr muss der Arbeitnehmer die Arbeit anbieten.

 

Normenkette

BGB §§ 305 ff, 611, 615; TzBfG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 08.06.2010; Aktenzeichen 14 Ca 10861/09)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.06.2010 in Sachen 14 Ca 10861/09 werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Kostenquote bleibt unverändert.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang der für ihr Arbeitsverhältnis maßgeblichen monatlichen Arbeitszeitverpflichtung und hiervon abhängige Differenzlohnansprüche für die Monate August, Oktober, November und Dezember 2009.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 14. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger mit monatlich (mindestens) 160 Stunden zu beschäftigen, im Übrigen aber die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 08.06.2010 Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 23.06.2010 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 05.07.2010 Berufung einlegen und diese am 16.08.2010 begründen lassen.

Dem Kläger wurde das Urteil des Arbeitsgerichts am 24.06.2010 zugestellt. Die Berufung des Klägers ist am 22.07.2010 und die Berufungsbegründung am 11.08.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin zu 1) ist der Auffassung, es bestehe eine wirksame Vertragsabsprache über eine monatliche Arbeitszeitverpflichtung des Klägers von 120 Stunden. Auch aus § 9 TzBfG folge kein Anspruch des Klägers auf Aufstockung der vertraglichen Arbeitszeit, sei es auf die vom Arbeitsgericht ausgeurteilten 160 Monatsstunden, sei es erst recht auf die vom Kläger gewünschten 185 Stunden monatlich.

Differenzlohnansprüche des Klägers seien schon aus diesem Grunde nicht gegeben.

Die Beklagte und Berufungsklägerin zu 1) beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.06.2010, Aktenzeichen 14 Ca 10861/09, zugestellt am 23.06.2010, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte zu 1) beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Als Berufungskläger zu 2) beantragt der Kläger darüber hinaus,

1) unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 8. Juni 2010, Aktenzeichen 14 Ca 10861/09, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Flugsicherheitskraft im K Flughafen mit monatlich 185 Stunden tatsächlich zu beschäftigen;

2) unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 8. Juni 2010, Aktenzeichen 14 Ca 10861/09, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.016,75 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.01.2010 zu zahlen;

hilfsweise:

3) unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 8. Juni 2010, Aktenzeichen 14 Ca 10861/09, die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag des Klägers vom 25.01.2010 auf Erhöhung der monatlichen Arbeitszeit von derzeit „durchschnittlich 120 Stunden” auf 185 Monatsarbeitsstunden zuzustimmen.

Der Kläger und Berufungskläger zu 2) meint, die Parteien hätten die im Formulararbeitsvertrag enthaltene unwirksame Arbeitszeitregelung durch eine konkludente Individualvereinbarung dahingehend ersetzt, dass die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Monatsarbeitszeit nunmehr 185 Stunden betrage. Dieser mutmaßliche Parteiwille folge aus der tatsächlichen Handhabung des Arbeitsverhältnisses, wonach der Kläger im Durchschnitt 185 Stunden monatlich zu arbeiten gehabt habe.

Dementsprechend seien auch die geltend gemachten Differenzlohnansprüche zwischen den in den fraglichen Monaten tatsächlich abgerechneten Stunden und der geschuldeten Stundenzahl von 185 Stunden monatlich unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges begründet. Die Ansprüche seien tarifvertraglich nicht verfallen, wobei zu beachten sei, dass die Fälligkeit der Monatsvergütung erst am 15. des Folgemonats eintrete. Es fehle im Übrigen auch nicht an einem Arbeitsangebot, soweit ein solches nicht ohnehin nach § 296 BGB entbehrlich sei. Das Angebot sei nämlich schlüssig in der Anwesenheit am Arbeitsplatz und der dadurch bekundeten Bereitschaft zu arbeiten zu sehen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 2) beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Auf die Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien in den Berufungsbegründungsschriften, bzw. den Berufungserwiderungsschriften wird ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Sie sind nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurden auch nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 ArbGG fristgerecht eingelegt und begr...

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