Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeit. Vollzeitarbeitsverhältnis. Teilzeitarbeitsverhältnis. Formulararbeitsvertrag. Blue-pencil-Test
Leitsatz (redaktionell)
Soll laut Formulararbeitsvertrag die Arbeitszeit „im monatlichen Durchschnitt 120 Stunden” betragen, ohne dass der maßgebliche Referenzzeitraum definiert wird, ist die Regelung wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam.
Normenkette
BGB §§ 307, 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 26.10.2009; Aktenzeichen 15 Ca 1808/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.2009 in Sachen 15 Ca 1808/09 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsrechtsstreits haben der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Umfang der für ihr Arbeitsverhältnis maßgebenden Arbeitszeit, um davon abhängige Differenzlohnansprüche, um die Bezahlung sog. Break-Stunden, darüber, ob Verstöße gegen eine Betriebsvereinbarung zu weiteren Zahlungsansprüchen des Klägers führen, und schließlich um den Umfang des Jahresurlaubsanspruchs des Klägers.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Klage teilweise stattzugeben, sie jedoch teilweise auch abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 26.10.2009 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln wurde dem Kläger am 12.02.2010 zugestellt. Er hat hiergegen am 05.03.2010 Berufung einlegen und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 12.05.2010 am 11.05.2010 begründen lassen. Der Beklagten wurde die Berufungsbegründung des Klägers am 25.05.2010 zugestellt. Sie hat am 24.06.2010 auf die Berufung des Klägers erwidert und zugleich Anschlussberufung eingelegt.
Der Kläger meint weiterhin, er habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, mit 175 Arbeitsstunden pro Monat tatsächlich beschäftigt zu werden. Zumindest habe er gemäß § 9 TzBfG einen Anspruch auf Aufstockung der monatlichen Arbeitszeit von 150 auf 175 Stunden. Insbesondere stützt der Kläger seine Auffassung zum vermeintlich verbindlichen Mindestumfang der monatlichen Arbeitszeit darauf, dass die Parteien in der Vergangenheit einen Arbeitseinsatz des Klägers von durchschnittlich 175 Stunden monatlich praktiziert hätten. Aus dem Umfang der Arbeitszeit folge ein entsprechender Differenzlohnanspruch. Ferner wendet sich der Kläger dagegen, dass das Arbeitsgericht die Forderung auf Zahlung von 22,60 EUR wegen Verstoßes gegen die Betriebsvereinbarung 001 abgewiesen habe.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.2009, 15 Ca 1808/09,
1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Flugsicherheitskraft am K./B. F. monatlich 175 Stunden tatsächlich zu beschäftigen;
2) hilfsweise:
die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag des Klägers gemäß § 9 TzBfG vom 12.01.2009 auf Erhöhung der monatlichen Arbeitszeit von mindestens 150 Stunden auf monatlich 175 Stunden zuzustimmen;
3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 113,– EUR zuzügl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;
4) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22,60 EUR zuzügl. 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.04.2009 zu bezahlen (Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung 001).
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Im Wege der eigenen Anschlussberufung beantragt die Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.10.2009, 15 Ca 1808/09, abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Beklagte meint, die arbeitsvertragliche Klausel, wonach der Kläger „im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten” habe, sei rechtlich nicht zu beanstanden und halte einer AGB-Kontrolle stand. Zumindest sei die Klausel nach dem sog. Blue-Pencil-Test teilbar, woraus ein Arbeitszeitumfang von 150 Stunden monatlich erwachse. Einen Anspruch auf Aufstockung der Arbeitszeit gemäß § 9 TzBfG habe der Kläger nicht. Die Verurteilung zur Bezahlung sog. Breakstunden sei zu Unrecht erfolgt. Das Arbeitsgericht habe hierbei nicht berücksichtigt, dass es sich um Ruhepausen nach § 4 ArbZG gehandelt habe.
Der Kläger, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagte beantragt,
die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
2. Die Anschlussberufung der Beklagten ist nur teilweise zulässig.
Die Anschlussberufung der Beklagten ist zwar ebenfalls statthaft und wurde auch nach Maßgabe der §§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 524 Abs. 2 S. 2 fristgerecht eingelegt.
Die Anschluss...