Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der dynamischen Anwendung der der Vergütungstarifverträge im Einzelhandel in NRW. Auslegung des Begriffs des Tariflohns und der Verwendung von Anrechnungsklauseln hinsichtlich "übertariflicher Vergütungsbestandteile"
Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung des Begriffes "Tariflohn" im Arbeitsvertrag sowie die Verwendung von Anrechnungsklauseln für übertarifliche Vergütungsbestandteile lassen die Auslegung zu, dass eine dynamische Anwendung der einschlägigen Vergütungstarifverträge vereinbart ist. Jedenfalls kommt eine solche Auslegung über § 305 c BGB zur Anwendung (wie 5 AZR 2/12 gegen 4 AZR 224/10).
Normenkette
BGB § 305c
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 28.11.2014; Aktenzeichen 5 Ca 3726/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.11.2014 - Az.: 5 Ca 3726/14 - im Zinsausspruch abgeändert und wie folgt zur Klarstellung neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 833,46 € brutto (Vergütungsnachzahlung für die Monate August 2013 bis einschließlich September 2014) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 337,50 € ab 01.01.2014
aus 29,94 € ab 01.02.2014
aus 29,94 € ab 01.03.2014
aus 29,94 € ab 01.04.2014
aus 29,94 € ab 01.05.2014
aus 72,94 € ab 01.06.2014
aus 84,44 € ab 01.07.2014
aus 72,94 € ab 01.08.2014
aus 72,94 € ab 01.09.2014
aus 72,94 € ab 01.10.2014
zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die jeweils gültigen Entgelttarifverträge des Einzelhandels NRW auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden und die sich daraus ergebende Vergütung und etwaige Erhöhungen der Vergütung an den Kläger sowie weiterhin die pauschale Überstundenvergütung in Höhe von 166,00 € Brutto zu zahlen.
- Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
- Gegenstandswert 2.772,84 €.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob in ihrem Arbeitsverhältnis die Vergütungstarifverträge für den Einzelhandel NRW dynamisch anzuwenden sind, um hieraus resultierende Vergütungsansprüche, die die Beklagte nicht erfüllt hat, sowie um die Anrechenbarkeit einer Überstundenpauschale.
Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelskaufhaus. Sie war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Die Vergütungstarifverträge im Einzelhandel NRW (Gehaltstarifvertrag, Lohntarifvertrag) waren bis zum 31.03.2000 allgemeinverbindlich. Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW war bis zum 25.07.2003 allgemein verbindlich. Der Manteltarifvertrag sah eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung vor. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Die Beklagte hat in allen der zweiten Kammer des LAG Köln vorliegenden Parallelverfahren den gleichen Formulararbeitsvertrag angewandt, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch die Vergütungstarifverträge und der Manteltarifvertrag, nur der Manteltarifvertrag oder keiner der Tarifverträge mehr allgemein verbindlich waren.
Die Beklagte hat auch nach Außerkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit die Vergütungserhöhungen aus den Vergütungstarifverträgen des Einzelhandels NRW vollständig an die Arbeitnehmer weitergegeben. Sie hat dies erst bei der Tariferhöhung (3%), die für den Monat August 2013 rückwirkend im Dezember 2013 in Kraft getreten war, unterlassen. Zum1. Januar 2014 erhöhte die Beklagte die Vergütung ihrer Arbeitnehmer um 2 %. Die weitere tarifvertragliche Vergütungserhöhung zum 01.05.2014 um weitere 2,1 % gab die Beklagte ebenfalls nicht weiter.
Die klagende Partei trat zum 04.01.1999 in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Sie übt eine Vollzeitbeschäftigung aus und ist in Vergütungsgruppe L 2 b eingruppiert.
Die klagende Partei stützt ihre Forderung auf den Arbeitsvertrag. Dort finden sich auf der ersten Seite folgende Erklärungen:
Tarifliche Einstufung: L 2 b
Vergütung: |
Tarifentgelt |
2.993,00 DM |
|
= Gesamtentgelt |
2.993,00 DM |
In den hieran angefügten Allgemeinen Vertragsbedingungen ist weiterhin folgendes vereinbart:
"2. Vergütung
Die arbeitsvertraglich vorgesehene Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt vorbehaltlich einer späteren Überprüfung. Sollte sich hierbei eine fehlerhafte Eingruppierung herausstellen, erklärt sich der Mitarbeiter damit einverstanden, dass mit Wirkung ab dem auf die Feststellung folgenden Monats eine Neugruppierung herbeigeführt wird. Über-/Unterzahlungen werden mit der nächsten Vergütungsabrechnung verrechnet, wobei auf die sozialen Belange des Mitarbeiters Rücksicht zu nehmen ist und ggf. Überzahlungen auf mehrere Monate zu verteilen sind.
....
Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden.
.....
13. Schlussbestimmung: Ergänzend gelten die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, ebenso wie die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen."
Die klagende Partei stützt sich für ihre Rechtsansicht der dynamische...