Leitsatz (amtlich)

Der gesetzliche Haftungsausschluß bei Arbeitsunfällen

1. erstreckt sich auch auf das Verlassen der Arbeitsstelle, solange es sich auf dem Betriebsgelände vollzieht, und auf den „Ort der Tätigkeit”.

2. Unter dem „Ort der Tätigkeit” in diesem Sinne ist das Betriebsgelände zu verstehen, nicht etwa nur der Raum, in dem sich der konkrete Arbeitsplatz des Mitarbeiters befindet.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847; SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 08.10.1998; Aktenzeichen 4 Ca 5055/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.12.2000; Aktenzeichen 8 AZR 92/00)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.10.1998 – 4 Ca 5055/98 – wird geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger, geboren am 14.07.1942, war als Lagerist bei der Firma S. tätig in deren Betrieb in K. an der A. Straße. Am 25.09.1997 wurde er auf dem Betriebsgelände gegen 8.40 Uhr auf einem Fahrweg zwischen zwei Betriebsgebäuden von einem anderen Mitarbeiter des Betriebes, M., verletzt; der Mitarbeiter M. war mit seinem PKW auf dem Fahrweg gegen einen Handwagen gefahren, den der Kläger gezogen hatte; der Handwagen war gegen den Kläger geschleudert (Unfallanzeige vom 25.09.1997 Bl. 33 a d.A.). Der Vorgang wurde von der zuständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anerkannt. Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Schmerzensgeld verlangt von der Beklagten „als zuständige Haftpflichtversicherung” des Mitarbeiters M.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das aber 8.000,00 DM nicht unterschreiten sollte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf eine Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers M. nach SGB VII § 105 berufen. Der Mitarbeiter M. habe sich auf einer Dienstreise befunden, die von seinem Vorgesetzten angeordnet gewesen sei. Das Betriebsgelände sei, wie unstreitig, mit einer Schranke gesichert bzw. nachts zusätzlich mit einem Tor. Weiterhin werde die Ein- und Ausfahrt zum Firmengelände von einem Pförtner überwacht.

Der Kläger hat erwidert: Für die Frage des Haftungsausschlusses komme es nicht darauf an, ob die Unfallbeteiligten den gleichen Arbeitgeber haben oder ob sich der Unfall auf den Betriebsgelände des Arbeitgebers ereignet. Entscheidender Gesichtspunkt sei der Grundsatz der gefahrengeneigten Arbeit, der in der Arbeitswelt gelte, der aber ausgeschlossen sei, wenn wie vorliegend nur zufällig Schädiger und Geschädigter beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt sind.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 4.000 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, sie beantragt Abweisung der Klage. Die Begründung ergibt sich aus ihren Schriftsätzen vom 27.04. und 25.06.1999, die Erwiderung des Klägers aus dessen Schriftsatz vom 17.05.1999.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist statthaft, § 64 ArbGG. Sie auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Die diesbezüglichen Feststellungen des Gerichts ergeben sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 13.10.1999.

II. Die Berufung ist begründet.

1. Der Versicherungsnehmer M. ist rechtlich nicht verpflichtet, dem Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen. Als Rechtsgrundlage kommen nur die Bestimmungen der §§ 823 und 847 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach ist zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Körper eines Anderen widerrechtlich verletzt hat. Diese Haftung ist jedoch bei Arbeitsunfällen eingeschränkt für den Arbeitgeber und die Mitarbeiter des Betriebes gemäß der gesetzlichen Regelung über die gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII § 104 ff. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Arbeitsunfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen, diesen zum Ersatz des Personenschadens (Schmerzensgeld) nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg. Für den Versicherungsnehmer M. trat diese Haftungseinschränkung ein. Die Voraussetzungen der eingeschränkten Haftung liegen bei ihm nicht vor.

a) Die Verletzung des Klägers war ein Arbeitsunfall.

b) Dieser Arbeitsunfall ist vom Versicherungsnehmer M. verursacht worden; dieser war zugleich (Unfall-) versicherter desselben Betriebes wie der Kläger.

c) Er hat ihn durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht. Das gilt nicht nur dann, wenn er zu der Fahrt, bei der er den Handwagen angefahren hatte, einen betrieblichen Auftrag gehabt hatte, sondern auch dann, wenn er nach Hause fahren wollte. Auch das Verlassen der Arbeitsstelle ist betriebliche Tätigkeit, solange sie sich auf dem Betriebsgelände vollzieht, denn auf dem Betriebsgelände sind die Arbeitnehmer auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes noch den besonderen betrieblichen Gefahren ausgesetzt, vgl. a Kasseler Kommentar, Sozialve...

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