Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsansprüche bei Vereinbarung eines unentgeltlichen Praktikums
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein unentgeltliches Praktikum vereinbart, kann in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 1 BGB ein Vergütungsanspruch bestehen, auch wenn die Anwendung des Berufsbildungsgesetzes (§ 26 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG) durch § 7 PsychThG ausgeschlossen ist.
2. Werden Leistungen erbracht, die im Rahmen der praktischen Tätigkeit im Sinne des § 2 PsychTh-APrV nicht geschuldet und nur gegen Zahlung der üblichen Vergütung zu erwarten sind, erfolgt die Vergütung dieser höherwertigen Dienste entsprechend § 612 Abs. 1 BGB.
3. Einzelfallentscheidung im Anschluss an BAG, Urteil vom 10.02.2015 - 9 AZR 289/13 (Erbringung nicht geschuldeter Dienste im vorliegenden Fall verneint).
Normenkette
PsychThG § 7; BGB § 612 Abs. 1; PsychTh-APrV § 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Aktenzeichen 5 Ca 4871/14) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil desArbeitsgerichts Aachen - Gerichtstag Düren -(5 Ca 4871/14 d) wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Entgelt für Tätigkeiten verlangen kann, die sie während ihrer praktischen Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (PiA) erbracht hat.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin. Nach Abschluss ihres Studiums ließ sie sich bei der K -B Akademie für Psychotherapie zur Psychologischen Psychotherapeutin ausbilden. Gemäß § 5 Abs. 1 des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) besteht die mindestens dreijährige Ausbildung aus einer praktischen Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird, und schließt mit Bestehen der staatlichen Prüfung ab. Die Mindestanforderungen an die Ausbildung sind in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten vom 01.01.1999 (PsychTh-APrV) geregelt.
Die Klägerin absolvierte die praktische Tätigkeit der Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin (PiA) in der Zeit vom 01.05.2012 bis zum 30.06.2013 bei dem Beklagten, der die psychiatrische Fachklinik in D (LVR-Klinik D ) betreibt. Zwischen dem Beklagten und der K -B Akademie für Psychotherapie besteht ein Kooperationsvertrag vom 01.01.2011 (Blatt 109 bis 112 der Akte), dessen Vertragsgegenstand in § 1 Abs. 1 wie folgt geregelt ist:
Die Klinik nimmt gemäß § 5 PsychThG in Verbindung mit § 2 PsychTh-APrV auf der Grundlage des Studienplanes des Ausbildungsinstituts an der Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten/innen teil. Sie ermöglicht die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 PsychTh-APrV vorgeschriebene praktische Tätigkeit in der Psychiatrie, ggf. auch die Ausbildungsabschnitte nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 PsychTh-APrV.
Nach § 2 der Vereinbarung hat die Klinik die Ausbildung so durchzuführen, dass sie den personellen und sachlichen Anforderungen der Approbations- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten entspricht und sie hat jedem Praktikanten einen Ausbilder zuzuordnen. Nach § 3 der Vereinbarung unterstehen die Praktikanten der fachlichen Betreuung eines im Einzelfall von der Klinik benannten Psychotherapeuten, wobei die Letztverantwortlichkeit des Abteilungsarztes unberührt bleibt. Nach § 5 haben die Praktikanten keinen Anspruch auf Vergütung oder Aufwandsentschädigung.
Die Klägerin und der Beklagte schlossen keine schriftliche Vereinbarung über die Ableistung der praktischen Zeit im Rahmen der Ausbildung der Klägerin zur Psychologischen Psychotherapeutin. Eine Vergütung für die praktische Tätigkeit wurde vereinbarungsgemäß nicht gezahlt.
Die Parteien schlossen für den Zeitraum vom 01.05.2011 bis zum 30.06.2011 einen Vertrag (Blatt 14 der Akte), nach dem die Klägerin als Hospitantin bei dem Beklagten tätig war und weder eine Vergütung noch eine Aufwandsentschädigung irgendwelcher Art erhielt. Für die Zeiträume vom 01.07.2011 bis zum 30.06.2012 sowie vom 01.07.2012 bis zum 30.06.2013 war die Klägerin aufgrund jeweils befristeten Arbeitsvertrages (Blatt 15 bis 18 der Akte) im Umfang von 19,25 Stunden pro Woche als Psychologin bei dem Beklagten beschäftigt und gemäß § 17 TVÜ-VKA in die Entgeltgruppe 13 eingruppiert. In den Arbeitsverträgen ist die Geltung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes vereinbart. In dem gesamten Zeitraum erhielt die Klägerin die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprechende Vergütung.
In einem Schreiben vom 06.01.2012 (Blatt 80 und 81 der Akte) teilte die ärztliche Direktorin der Klinik unter anderem Folgendes mit:
"Regelung zur Arbeitszeit während der Weiterbildung"
(...)
In unserem Hause werden Psychologen/innen zwei Monate unentgeltlich im Rahmen der Hospitation und anschließend arbeitsvertraglich mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6 TVöD-K), derzeit 19,25 Stunden eingestellt.
Die Arbeitszeit in diesen 14 Monaten beträgt 38,5 Stunden/Wochen.
In den ersten beiden Monaten werden die geleisteten Stunden in vollem Umfang den...