Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung wegen des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Eine schwere und schuldhafte Verletzung der aus § 241 II BGB resultierenden arbeitsvertraglichen Nebenpflichten kann als wichtiger Grund für eine außerordentliche, fristlose Kündigung in Betracht kommen.
2. Der das Strafrecht prägende Resozialisierungsgedanke schließt es aus, dass bereits jede Anklage oder Verurteilung wegen einer Straftat automatisch einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 I BGB für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Straftäters darstellte. Arbeitsrechtliche Konsequenzen eines strafrechtlichen Fehlverhaltens bedürfen unabdingbar eines sachlichen Zusammenhangs zwischen Fehlverhalten und Arbeitsverhältnis.
3. Diese Grundsätze gelten auch für Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst. Bei der Beurteilung eines Sachzusammenhangs sind allerdings die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes zu beachten wie z. B., ob der betreffende Arbeitnehmer hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen hatte oder aufgrund seiner Arbeitsaufgaben oder dienstlichen Stellung von außen als Repräsentant seines öffentlichen Arbeitgebers wahrgenommen wird.
4. Einzelfall, in dem ein hinreichender Sachzusammenhang zu verneinen war (Straftaten nach § 184 b I Nr. 1 StGB eines in einer Stiftung öffentlichen Rechts beschäftigten Hausmeisters).
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; StGB § 184b; TV-L § 34 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 07.08.2018; Aktenzeichen 16 Ca 1981/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.08.2018 in Sachen 16 Ca 1981/18 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen, außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 05.03.2018.
Bei der beklagten D Z handelt es sich um eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Köln und einem weiteren Standort in Bonn. Zweck der Stiftung ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung. Der Satzungszweck wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass die Stiftung zur Abdeckung des Bedarfs in Forschung, Lehre und Praxis die überregionale Informations- und Literaturversorgung in den Fachgebieten Medizin, Gesundheitswesen, Ernährungs-, Umwelt- und Agrarwissenschaften sowie deren Grundlagen, Wissenschaften und Randgebieten sicherstellt, zielgruppenspezifisch in- und ausländische Literatur sowie sonstige analoge und digitale Informationsmedien beschafft, erschließt, archiviert und bereitstellt sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der Informationswissenschaften zur Weiterentwicklung der Informations- und Literaturversorgung durchführt. In K unterhält die Beklagte ihre Hauptbibliothek, in der auch Studierende verkehren.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, dem Kündigungsschutzantrag des Klägers stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils in Sachen 16 Ca 1981/18 vom 07.08.2018 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 08.03.2019 zugestellt, nachdem die Fünf-Monats-Frist gemäß § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG bereits am 07.01.2019 erreicht worden war. Die Beklagte hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil am 07.02.2019 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 08.04.2019 am 19.03.2019 begründet.
Die Beklagte beanstandet, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass das außerdienstliche Verhalten des Klägers in keinem inneren Zusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Der Verdacht des Besitzes kinderpornografischen Materials könne ein Arbeitsverhältnis auch dann schwerwiegend belasten, wenn das vorgeworfene Geschehen allein auf dem Freizeitverhalten des Arbeitnehmers beruhe. Dies gelte besonders im öffentlichen Dienst. Zwar nehme der Kläger als Hausmeister keine unmittelbaren hoheitlichen Aufgaben im engeren Sinne war. Auch seine Zusatzfunktion als Sicherheitsbeauftragter stelle zwar keine hoheitliche Aufgabe im engeren Sinne dar, statte den Kläger aber mit zusätzlichen Kompetenzen insbesondere gegenüber Dritten aus. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger zwar nicht unmittelbar, so aber doch regelmäßig mit jungen Leuten, nämlich den die Bibliothek aufsuchenden Studierenden der mit der Beklagten kooperierenden Universitäten, in Kontakt gelange.
Dagegen könne es nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Kläger für die Speicherung des kinderpornografischen Materials eine dienstliche oder eine private Festplatte benutzt habe.
Erschwerend komme hinzu, dass der Vorwurf des Besitzes von Kinderpornografie gesellschaft...