Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelungen des Arbeitsvertrages als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Geltung der betriebsüblichen Arbeitszeit ohne einzelvertragliche Vereinbarung. Pauschalabgeltungsvereinbarung als Verstoß gegen das Transparenzgebot von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Differenzierung zwischen Arbeitsschutz und Vergütung von Beifahrerzeiten. Angemessener Zuschlag für Nachtarbeit gem. § 6 Abs. 5 ArbZG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung des Arbeitsvertrags richtet sich nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln. Bei den Regelungen des Arbeitsvertrags vom 21.04.2016 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB).
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG, Urteil vom 14.12.2016 - 7 AZR 797/14, Rn. 16 juris; BAG, Urteil vom 20.08.2014 - 10 AZR 453/13, Rn. 25 juris; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, BGB § 611 Rn. 62; Preis: in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, BGB § 310 Rn. 31). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, Urteil vom 06.07.2011 - 4 AZR 706/09, Rn. 21 juris; Roloff in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage 2018, § 305c BGB Rn. 6).
3. Haben die Parteien keine Regelung zur Dauer der Arbeitszeit getroffen, so ist anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollen. Ein Mitarbeiter, der einen Arbeitsvertrag über ein Vollzeitarbeitsverhältnis abschließt, muss bei Fehlen einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelung zum Umfang der Arbeitszeit mangels anderweitiger Anhaltspunkte redlicherweise davon ausgehen, dass er in gleichem Umfang wie andere Vollzeitarbeitnehmer des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung verpflichtet und für ihn daher der betriebsübliche Umfang der für Vollzeitmitarbeiter geltenden Arbeitszeit maßgeblich ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.05.2013 - 10 AZR 325/12, Rn. 21 juris).
4. Die einzelvertragliche Regelung, wonach mit dem Monatspauschallohn die gesamte tariflich zulässige Arbeitszeit einschließlich etwaiger Zuschläge des Mitarbeiters in dem Monat abgegolten ist, ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine entsprechende Klausel zur Pauschalabgeltung sämtlicher geleisteter Arbeit ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10, Rn. 14 ff. juris zur Pauschalabgeltung von Reisezeiten; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 310 BGB Rn. 92). So lässt der Arbeitsvertrag vorliegend schon offen, was überhaupt die regelmäßig geschuldete Arbeitszeit ist, so dass auch nicht erkennbar ist, welcher Teil der Pauschale Mehr- bzw. Überarbeit abgelten soll.
5. Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB ist nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Arbeit in diesem Sinne ist vielmehr auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit hat (vgl. BAG, Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 362/16, Rn. 31 juris). Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10, Rn. 19 ff.). § 21a ArbZG hat nur arbeitszeitschutzrechtliche Bedeutung und ist für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ohne Belang (BAG, Urteil vom 21.12.2016 - 5 AZR 362/16, Rn. 30 juris). Reisezeiten als Beifahrer können daher vergütungspflichtig sein, obwohl es sich hierbei nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn hand...