Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung. Versetzung. Postzusteller. schwerbehindeter Mensch
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der eigene Dienstarzt des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer aus in dessen Behinderung liegenden Gründen untersagt, dienstliche Kraftfahrzeuge zu führen, so muss der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auch den täglichen Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte nicht als Autofahrer zurücklegen kann.
2. Es widerspricht billigem Ermessen i. S. v. § 315 Abs. 1 BGB und verstößt gegen § 81 Abs. 4 Ziff. 4 SGB IX, einen aufgrund seiner Behinderung in der Bewegungsfähigkeit eingeschränkten Postzusteller in einen Zustellbezirk zu versetzen, den dieser unter Benutzung eines Fahrrades und öffentlicher Verkehrsmittel nur mit einem Zeitaufwand von 1,5 (montags – freitags) bis 2 (samstags) Stunden für die einfache Wegstrecke erreichen kann.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 1; SGB IX § 81 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 13.07.2007; Aktenzeichen 2 Ga 40/07) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 13.07.2007 in Sachen 2 Ga 40/07 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darum, ob die Verfügungsbeklagte berechtigt war und ist, den Verfügungskläger als Postzusteller bei ihrem Zustellstützpunkt in B. N. einzusetzen.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die zweite Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, den Verfügungskläger ab dem 10.07.2007 als Postzusteller vom Zustellstützpunkt B. N. ausgehend einzusetzen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 22. August 2007 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 13.07.2007 wurde der Verfügungsbeklagten am 07.09.2007 zugestellt. Sie hat hiergegen am 25.09.2007 Berufung eingelegt und diese am 07.11.2007 begründen lassen.
Die Verfügungsbeklagte meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Versetzung des Klägers nach B. N. entgegen § 315 Abs. 1 BGB nicht billigem Ermessen entsprochen habe. Anlass für die Versetzung sei der Wunsch des Klägers gewesen, aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkung die Zuweisung eines Bezirks mit weniger Arbeitsanfall zu erhalten. Insbesondere habe er angeregt, in einem Wohngebiet eingesetzt zu werden, also in einem Bezirk, in dem weniger förmliche Zustellungen durchzuführen seien als in der B. City, wo überproportional viele Firmen, Steuerberater, Büros und Anwaltskanzleien ansässig seien. In dem Bezirk in B. N. fielen um ca. 60 % weniger solcher förmlicher Zustellungen an.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Zustellstützpunkt B. N. für den Kläger von seinem Wohnort in W.-N. auch auf zumutbare Art und Weise pünktlich zum Schichtbeginn um 7.00 Uhr morgens zu erreichen. Für die Werktage von Montag – Freitag sei dies unstreitig. Es gelte aber auch für Samstage. Der Kläger könne nämlich um 5.02 Uhr den Bus nehmen und so rechtzeitig die Zugverbindung erreichen, die um 6.22 Uhr in B. N. ankomme. Der Weg bis zur Bushaltestelle betrage nur ca. 2 km. Diesen könne der Kläger zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Letzteres biete sich an, da der Kläger in der Vergangenheit seine Zustellungen ohnehin mittels eines Dienstfahrrads vorgenommen habe. Für eine so kurze Strecke sei es aber auch sogar möglich, ein Auto zu benutzen, auch wenn der Kläger üblicherweise nicht Auto fahre. Die Beklagte behauptet, aus Fürsorgegründen sei es ihr nicht möglich, den Kläger an Zustellstützpunkten einzusetzen, wo keine Einsatzleitung vor Ort sei. Im Bereich B. G. /M. gebe es jedoch vor Ort keine solche Einsatzleitung.
Die Verfügungsbeklagte wiederholt ihre bereits erstinstanzlich geäußerte Auffassung, dass in rechtlicher Hinsicht von einer Zustimmung des Betriebsrats zu einer unbefristeten Versetzung des Klägers nach B. N. auszugehen sei. Soweit der Betriebsrat seine Zustimmung auf 3 Monate begrenzt habe, sei dies rechtlich unbeachtlich, da er hierfür keinerlei Begründung abgegeben habe. Sie, die Verfügungsbeklagte, habe daher weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Klärung, ob sie berechtigt sei, den Kläger in B. N. einzusetzen.
Die Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22. August 2007, 2 Ga 40/07, abzuändern, den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 13. Juli 2007, 2 Ga 40/07, aufzuheben und die Verfügungsklage abzuweisen.
Der Verfügungskläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.
Der Verfügungskläger und Berufungsbeklagte bezweifelt bereits, ob der Verfügungsbeklagten und Berufungsklägerin für die Durchführung der Berufung noch ein Rechtsschutzbedürfnis zukomme, da die Versetzung seinerzeit auf 3 Monate befristet und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlun...