Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. vorübergehender Bedarf. Vertretung. Haushaltsmittel. spätere Stellenbesetzung
Leitsatz (amtlich)
Zur Unwirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses einer Arbeitsvermittlerinn bei der Bundesagentur für Arbeit.
Leitsatz (redaktionell)
1. Sofern ein im Arbeitsvertrag angegebener Sachgrund die Befristung nicht rechtfertigt, kann ein anderer nachgeschoben werden.
2. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG setzt die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers voraus. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitskräftebedarf, den er durch die Einstellung des Vertreters abdecken will, an sich bereits durch die Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers abgedeckt hat, aber wegen des zeitweiligen Ausfalls dieses anderen Arbeitnehmers ein vorübergehender, bis zu dessen Rückkehr zeitlich begrenzter Bedarf an der Arbeitskraft des Vertreters besteht.
3. Nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG darf der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestanden haben und die Wirksamkeit der Befristung ist von dem prognostizierten vorübergehend erhöhten Arbeitsanfall abhängig.
Normenkette
TzBfG § 14
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 17.06.2010; Aktenzeichen 9 Ca 1544/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.06.2010 – 9 Ca 1544/10 – abgeändert:
a. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2009 geendet hat.
b. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Arbeitsvermittlerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu lit. a) weiter zu beschäftigen.
c. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.337,71 EUR brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 3.235,20 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2010 zu zahlen.
2. Die Kosten des erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Verfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Dezember 2009 geendet hat.
Die Klägerin, geboren am 1971, war seit dem 8. Mai 2006 aufgrund von vier befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten ohne Unterbrechung beschäftigt.
Nach dem letzten Arbeitsvertrag vom 12. November 2008 war sie ab dem 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2009 tätig. In einem dazu erstellten schriftlichen Vermerk vom 11. November 2008 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, sie werde als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben eingesetzt. In dem Vermerk wird der Befristungsgrund wie folgt angegeben: § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG (Haushaltsmittel).
Die Parteien streiten darüber, ob die Befristung für das Jahr 2009 zur Vertretung des Arbeitsvermittlers Herrn K im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG erfolgte oder aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt war iSd § 14 Abs. 1 TzBfG.
Der Agentur für Arbeit A standen ab dem Jahr 2007 von der Zentrale jeweils für ein Kalenderjahr zugewiesene Haushaltsmittel aus dem Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) für Personalausgaben zur Verfügung. Im Dezember 2007 übertrug die Beklagte dem Arbeitnehmer K die Tätigkeit eines Weiterbildungsberaters in dem Programm WeGebAU für die Zeit bis längstens zum 30. November 2008 unter Gewährung einer persönlichen Zulage nach § 15 Abs. 1 TV-BA. Diese Beauftragung verlängerte sie mit Schreiben vom 25. August 2008 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2009 und mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 für die Zeit bis zum 31. Dezember 2010.
Nach eigenen Angaben der Beklagten erfolgte für das Jahr 2010 keine Zuweisung von Haushaltsmitteln aus dem Programm WeGebAU an die Agentur für Arbeit A. Gleichwohl entschied die Agentur für Arbeit A, auch im Jahr 2010 Herrn K als Weiterbildungsberater einzusetzen und den Ausfall von Herrn K als Arbeitsvermittler von den anderen Beschäftigten auffangen zu lassen, ohne eine Ersatzkraft einzustellen.
Mit der vorliegenden Klage, die am 4. November 2009 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangen ist, wendet sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung. Zugleich verlangt sie Weiterbeschäftigung bereits während der Dauer des Beendigungsrechtsstreits und Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Januar 2010 bis einschließlich März 2010.
Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Urteil vom 17. Juni 2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2009 beendet worden. Die Befristung sei nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG sachlich gerechtfertigt gewesen, weil die Klägerin den Mitarbeiter Herrn K als Arbeitsvermittler vertreten habe. Herr K sei im Jahr 2009 als Weiterbildungsberater beschäftigt worden, nachdem die Zentrale der Beklag...