Entscheidungsstichwort (Thema)

Massenentlassung

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 17 KSchG lässt sich nicht so auslegen, dass mit dem Begriff der „Entlassung” die Kündigung gemeint ist.

 

Normenkette

KSchG § 12

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 07.10.2004; Aktenzeichen 4 Ca 13251/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 08.11.2007; Aktenzeichen 2 AZR 554/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.10.2004 – 4 Ca 13251/03 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der im Zeitpunkt der Kündigung 46 Jahre alte Kläger ist bei dem beklagten Bauunternehmen seit dem 01.10.1999 als Baukaufmann mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von zuletzt ca. 3.275,00 EUR tätig gewesen. Die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes finden auf das Arbeitsverhältnis unstreitig Anwendung.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.10.2003 wegen Betriebsschließung zum 30.04.2004 gekündigt. Dem lag ein Gesellschafterbeschluss vom 24.10.2003 zugrunde (Bl. 24 d. A.) wonach die Betriebsschließung zum 30.04.2004 erfolgen sollte.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten am 18.11.2003 die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Tatsache des Beschlusses der Betriebsstilllegung nicht bestritten,jedoch die Durchführung des Beschlusses und beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29.10.2003, zugegangen am 30.10.2003, nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

den Kläger mit der Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Beklagte sei als Tief- und Straßenbaubetrieb mit insgesamt 22 gewerblichen Arbeitnehmern und vier kaufmännischen und technischen Angestellten zu dem Entschluss der Betriebsstilllegung gelangt, weil aufgrund erheblicher Umsatzeinbußen keine weiteren Privatmittel mehr in den Betrieb eingeführt werden könnten und eine Insolvenz allenfalls noch bis zu dem geplanten Stilllegungstermin am 30.04.2004 vermieden werden könnte.

Die vorhandenen Arbeitnehmer würden zur Abarbeitung vorhandener Aufträge sowie geringfügiger noch hinzukommender kleinerer Aufträge bis längstens 30.04.2004 eingesetzt. Die Prognose der Beklagten, dass der Betrieb endgültig zum 30.04.2004 stillgelegt werde, habe sich auch verwirklicht, es würden keine Aufträge über dieses Datum hinaus mehr angenommen. Alle vom Kläger angeführten Bauaufträge seien bis zum 30.04.2004 abgewickelt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein am 07.10.2004 verkündetes Urteil abgewiesen. Gegen das dem Kläger am 07.02.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts richtet sich die am 01.03.2005 eingelegte Berufung, die der Kläger – nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 02.05.2005 – schriftlich am 26.04.2005 begründet hat:

Die Kündigung sei schon deswegen unwirksam, weil die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die erforderliche Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG abgegeben habe. Aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 27.01.2005 sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der §§ 17, 18 KSchG bereits vor Ausspruch der Kündigungserklärung hätten eingehalten werden müssen, vorliegend sei jedoch die Massenentlassungsanzeige, wie sich aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 25.03.2004 ergebe, erst am 26.01.2004 erfolgt.

Abgesehen hiervon gebe es auch Indizien, die Zweifel an einem ernsthaften und endgültigen Entschluss der Betriebsschließung begründen. Die Beklagte habe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz lediglich die Abmeldung bei der Tiefbau-Innung sowie die Kündigung der Betriebshaftpflichtversicherung dokumentiert, nicht jedoch die Abmeldung bei der Zusatzversorgungskasse. Mit dem weiteren nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 14.06.2005 macht der Kläger weiterhin geltend, dass die Beklagte weiterhin Vertragspartner in den Hausmeisterverträgen für die Stadt W und die Stadtwerke E sei und nach wie vor die von anderen Firmen erbrachten Leistungen abrechnet. Auch habe sie an einer Ausschreibung bei der Messe K teilgenommen und rechne Arbeiten der Firma B ab. Eine Mitarbeiterin B arbeite einmal in der Woche für die Beklagte. Die Betriebsmittel der Beklagten stünden in tadellosen und gepflegten Zustand einsatzbereit auf dem Bauhof und würden weiter gewartet und genutzt.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 4 Ca 13251/03 – vom 07.10.2004 aufzuheben und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit der Berufungserwiderung verteidigt sie die angefochtene Entscheidung und nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz erstmals gerügten Verstöße gegen § 17 KSchG trägt sie vor, dass die sogenannte „J-Entscheidung” des EuGH nicht auf unmittelbar für die Auslegung der §§ 17, 18 KSchG herangezogen werden könne, weil das Kündigungsschutzgesetz ausdrücklich zwischen der Kündigu...

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