Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt nicht, daß der wirkliche Vertreter sich zu erkennen gibt.
Normenkette
BGB § 164 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 18.01.1996; Aktenzeichen 3/5 Ca 1828/95) |
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.01.1996 – 3/5 Ca 1828/95 – wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist vom Beklagten mit der Berufung angefochten worden mit dem Antrag des Schriftsatzes vom 29.05.1996 mit der Maßgabe, daß er sich nicht auf das Zwischenzeugnis bezieht.
I. Die Berufung ist begründet.
1. Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 27.06.1995 nicht aufgelöst worden ist, besteht rechtlich nicht.
a) Die drei Schreiben an die Klägerin vom 27.06.1995 waren eine Kündigung, nicht nur Kündigungsentwürfe. Sie waren auf einem Formblatt des Beklagten verfaßt, enthielten die Worte „hiermit kündigen wir …”, waren mit einem Unterschriftsstempel versehen und durch Boten und durch die Post an die Klägerin gesandt worden. Aus der Verwendung des Unterschriftsstempels Zweifel an der Endgültigkeit des Kündigungswillens zu begründen, ist gekünstelt. Im Privatrechtsverkehr ist die Verwendung von Unterschriftsstempeln verbreitet. Bloße Kündigungsentwürfe pflegen dem Arbeitnehmer nicht zugesandt zu werden.
b) Die Schreiben waren auch Kündigungen des Beklagten und nicht Kündigungen eines anderen. Eine Kündigung ist demjenigen zuzurechnen, in dessen Namen und Vollmacht sie ausgesprochen worden ist, BGB § 164 Abs. 1 S. 1. Die Kündigungen gegenüber der Klägerin vom 27.06.1995 sind vom Rechtsreferenten B aus der Zentrale des Beklagten in F in dessen Namen erklärt worden. Er hatte dazu auch die Vollmacht des Beklagten. Der Beklagte hatte den Leiter des Personalressorts, Herr R S, Vollmacht zur Willenserklärungen jeglicher Art auch gegenüber Mitarbeitern erteilt und die Vollmacht, im Rahmen dieser Vollmacht Untervollmacht zu erteilen, wie sich unter anderem aus der schriftlichen Vollmacht des Beklagten vom 02.01.1993 ergibt. Herr S hatte Herrn B Untervollmacht zur Unterzeichnung von Kündigungen erteilt, wie sich aus deren Zeugenaussage vom 21. April 1997 ergibt.
Eine Unwirksamkeit dieser Unterbevollmächtigung ist nicht ersichtlich. Die Vollmacht für den Personalleiter vom 02.01.1993, auch Untervollmacht zu erteilen, bestand „im Rahmen seiner Vollmacht”, umfaßte also auch den Bereich der Kündigungen gegenüber anderen Mitarbeitern und Kollegen. Ein eventueller Verstoß der Unterbevollmächtigung gegen die von der Klägerin genannten internen „Richtlinien” würde nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Unterbevollmächtigung führen. Die Anordnung des Personalleiters S bei der Unterbevollmächtigung, grundsätzlich nur mit schriftlicher Vollmacht Kündigungen auszusprechen, hatte die Bedeutung einer Arbeitsanweisung, nicht die Bedeutung einer Einschränkung der Untervollmacht.
Die Tatsache, daß aus dem Kündigungsschreiben nicht erkennbar war, daß sie nicht vom Personalleiter S stammten, aus dessen Namen der Unterschriftsstempel bestand, sondern in Wirklichkeit vom Personalreferenten B, ändert an der Zurechnung zum Beklagten nichts. Die Bestimmung des § 164 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt nicht, daß der wirkliche Vertreter sich zu erkennen gibt. Der wirkliche Vertreter kann sogar mit dem Namen des Vertretenen Unterschreiben; die Erklärung ist dann dennoch dem Vertretenen zuzurechnen, vgl. Palandt/Heinrichs BGB 50. Aufl. § 126 Rn 8.
c) Die Kündigungen des Beklagten sind nicht rechtsunwirksam aufgrund von § 1 Abs. 1 KSchG. Danach ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin beim Beklagten hatte im Zeitpunkt der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden. Es hatte am 01.01.1995 begonnen. Eines der Kündigungsschreiben war ihr bereits am 28.06.1995 gegen 10.40 Uhr von der Mitarbeiterin D in den Wohnungsbriefkasten geworfen worden, wie sich aus deren Zeugenaussage vom 16.07.1997 und ihrem Aktenvermerk vom 28.06.1995 ergibt, und damit vor Ablauf von sechs Monaten (30.06.1995) zugegangen. Daß die Klägerin verreist war und dies mitgeteilt hat, ist rechtlich unerheblich.
d) Die Kündigungen sind auch nicht rechtsunwirksam aufgrund von § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Danach ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der Beklagte hatte vor den Kündigungen vom 27.06.1995 den Betriebsrat angehört, nämlich mit dem Schreiben vom 19.06.1995.
e) Die Kündigungen sind auch nicht rechtsunwirksam aufgrund von § 125 S. 1 BGB. Danach ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es der durch Gesetz vorgeschriebenen Form mangelt. Für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist durch Gesetz keine schriftl...