Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. Auflösungsantrag. Bestimmtheit. Verhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Änderungen im Rahmen einer Änderungskündigung müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssten für alle angebotenen Änderungen vorliegen. Die angebotenen Änderungen dürften sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Genügt eine der beabsichtigten Änderungen den Anforderungen nicht, hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zufolge.

2. Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot des Arbeitgebers unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG an, streiten die Parteien nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern (nur) über die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen. In diesem Fall ist ein Auflösungsantrag unzulässig, weil die Rechtsfolge der fehlenden sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung nach § 8 KSchG allein die Wiederherstellung der früheren Arbeitsbedingungen ist.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 9, 8

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 6 Ca 776/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.05.2010 – 6 Ca 776/09 – wird zurückgewiesen.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, Vergütungsansprüche und einen Auflösungsantrag.

Der 59-jährige Kläger ist verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet und seit dem 01.03.2003 bei der Beklagten beschäftigt. Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Anstellungsvertrag vom 29.08.2003 weist ihn als „Leiter Business-Development und Marketing” aus. Unter „§ 6 Vergütung” enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

„Herr Q. erhält ein monatliches Grundgehalt in Höhe von brutto

ab 01.04.2004 4.000,00 EUR (i. W. viertausend Euro).

Ferner erhält Herr Q. eine variable Jahresabschlussvergütung (JAV) bis zu 30 % seines Jahreseinkommens, die aufgrund der erbrachten persönlichen Leistung festgesetzt wird. Der absolute Betrag der maximal erreichbaren JAV, der 30 % des Jahreseinkommens entspricht, wird Anfang des jeweiligen Geschäftsjahres während des Führungsgesprächs Herrn Q schriftlich mitgeteilt.

Im Jahr 2003 und 2004 werden 750,00 EUR/Monat als Fixum gewährt.

Ein Zwanzigstel der maximal erreichbaren JAV wird vorschüssig auf die JAV gewährt und mit dem Monatsgehalt ausgezahlt.

Die Endabrechnung der JAV erfolgt spätestens bis zum 31. März des Folgejahres. Beginnt oder endet dieser Vertrag vor dem Ende des Geschäftsjahres, wird die JAV anteilig ermittelt.”

Der Kläger erhielt seit dem Jahr 2003 bis Dezember 2008 eine monatliche JAV-Zahlung in Höhe von 750,00 EUR. Ab Januar 2009 ist diese Zahlung nicht mehr erfolgt.

Der Kläger ist seit 2005 Gesellschafter der Beklagten mit einer Stammeinlage von zuletzt 30.000,00 EUR. Dies führt gemäß § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 01.07.2003 zu einer Sperrminorität des Klägers. Nach § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages bedürfen die Geschäftsführer für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss.

Die Beklagte beschäftigt mehr als 20 Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 27.02.2009 sprach die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung aus. In dieser heißt es wörtlich:

„Sehr geehrter Herr Q.,

aus den Ihnen bekannten Gründen kündige ich Ihnen den Anstellungsvertrag vom 29.08.2003 als Leiter Business-Development und Marketing ordentlich fristgerecht zum 31.05.2009, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.

Gleichzeitig biete ich ihnen an, dass Arbeitsverhältnis ab dem 01.06.2009 als

Verkaufsleiter Tonfrequenz-Rundsteuertechnik Systeme/Komponenten/Service

Für das Verkaufsgebiet D-Region N., N. – und W sowie S zu einer monatlichen Grundvergütung in Höhe von 2.000,00 EUR brutto und einer leistungsabhängigen Entlohnung in Höhe von 1,5 % des Auftragsvolumens per 31.05.2009 für den Monat Juni 2009 und ab dem Monat Juli 2009 mit einer leistungsabhängigen Entlohnung von 3,5 % des jeweiligen Auftragsvolumens des Vormonats fortzusetzen. Dabei ist immer das im Verkaufsgebiet abgerechnete Auftragsvolumen die Basis für die Ermittlung der leistungsabhängigen Entlohnung.

Ihr Urlaubsanspruch beträgt dann noch 28 Arbeitstage.”

Mit Schreiben vom 20.03.2009 nahm der Kläger das Änderungsangebot unter Vorbehalt an und erhob unter dem 20.03.2009 Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er trotz seiner Gesellschafterstellung Arbeitnehmer sei, da er weisungsabhängig seine Tätigkeit erbringe und materiell auch hiervon abhängig sei, so dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben sei. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt, da die Spar...

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