Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Fachverkäufers in einem Elektromarkt wegen nicht autorisierter Nutzung von Rabattcodes beim Abschluss von Mobilfunkverträgen. Umfang des Verzugsschadens
Leitsatz (amtlich)
1. Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB: Anschluss an u. a. LAG Köln 22.11.2016 - 12 Sa 524/16
2. Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar berechtigt der gleich mehrfache Abschluss von Mobilfunkverträgen unter Inanspruchnahme nicht autorisierter Rabattcodes durch einen Fachverkäufer in einem Elektromarkt den Arbeitgeber "an sich" zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Jedoch erweist sich die Kündigung aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung jedenfalls dann als unwirksam, wenn die Verträge vom Vorgesetzten des Arbeitnehmers freigegeben worden sind.
2. Die Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB ist mangels Bereichsausnahme auch im Arbeitsverhältnis anwendbar.
Normenkette
BGB § 288 Abs. 5; KSchG § 9; BGB § 626; KSchG § 10
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 09.11.2016; Aktenzeichen 2 Ca 1684/16) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2016 - 2 Ca 1684/16 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt,
- an den Kläger 244,28 € netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 zu zahlen,
- an den Kläger 40,00 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen,
- an den Kläger 40,00 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen,
- an den Kläger 40,00 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen,
- an den Kläger 40,00 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.
- Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
- Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 10% und die Beklagte zu 90% zu tragen.
- Die Revision wird für die Beklagte nur hinsichtlich der Verzugspauschale zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am . .19 geborene Kläger ist seit dem 01.09.2014 bei der Beklagten in deren Elektromarkt als Fachverkäufer in der G -Abteilung beschäftigt mit einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.300,00 €. Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes. Im Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.
In dem Markt der Beklagten in B G sowie auch in einem S -Markt in K kam es zu Unregelmäßigkeiten bei dem Abschluss von Mobilfunkverträgen mit dem Anbieter T . Verträge zwischen T und dem Endkunden werden bei der Beklagten in der G -Abteilung vermittelt. Über die Computer im Markt der Beklagten wird mittels einer Händlernummer auf das System von T zugegriffen, sämtliche Vertragsdaten werden dort eingegeben, ein Vertrag zwischen dem Endkunden und T vorbereitet und schließlich abgeschlossen. Als Vermittler für diese Verträge sind im Markt der Beklagten sowohl eigene Mitarbeiter als auch Promotoren tätig. Bei den Promotoren handelt es sich um professionelle Werbekräfte, die über Agenturen zum Bewerben von T -Tarifen von T beauftragt werden. Im Rahmen der Vertriebspartnerschaften zwischen der Beklagten und den Anbietern bestehen Rahmenverträge und Sonderkonditionen, mit denen vom Regulärpreis abweichende Verträge vermittelt werden können.
Im Rahmen von routinemäßigen Stichproben bei T stellte diese fest, dass in einer Vielzahl von Fällen nicht für diese Märkte autorisierte Rahmenverträge genutzt wurden. Dabei ist nicht geklärt, wie die Mitarbeiter bzw. Promotoren an den nicht autorisierten Code (= Rahmenvertragsnummer) gelangt sind. Unter Nutzung dieses Codes kam es in dem Markt der Beklagten zum Abschluss mehrerer Verträge über den Mobilfunktarif O der Firma T zum Preis von 4,99 € monatlich. Der reguläre Preis im Markt der Beklagten lag für diesen Tarif bei 39,99 €, wobei eine zulässige Rabattierung um 5,00 €, d. h. auf 34,99 € im Monat angeboten werden konnte. Durch die Nutzung des Codes wurde eine Reduzierung auf 9,99 € erreicht. Zusätzlich wurde die zulässige Rabattierung um 5,00 € genutzt, so dass es zu dem Endpreis von 4,99 € monatlich kam.
Auch der Kläger schloss insgesamt fünf Verträge des o. g. Mobilfunktarifs für den Preis von 4,99 € monatlich für seinen Bruder und seine Schwester ab.
Am 05.02.2016 führte die Geschäftsführerin der Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger, in dem dieser die Vertragsabschlüsse bestätigte und erklärte, dass er den Code von einem Promotor erhalten habe und er für die Verträge unter Nutzung des Codes von seinem Abteilungsleiter Herrn E das Okay erhalten habe.
Die Beklagte hörte ihren Betriebsrat mit Schreiben vom 11.02.2016 zu der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. Unter dem 15.02.2016 widersprach der Betriebsrat.
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