Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestenauslese bei Stellenbesetzung in öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk als Verwaltung im materiellen Sinn. Grundrechtsbindung trotz Staatsferne. Fehlerhafte Stellenbesetzung in öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt
Leitsatz (amtlich)
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind bei ihren Personalauswahlentscheidungen an die Grundsätze der Bestenauslese aus Art 33 Abs. 2 GG gebunden, denn sie sind Teile der öffentlichen Verwaltung im Sinne der Vorschrift. Als Anstalten öffentlichen Rechts sind sie nicht nur Verwaltung im formellen Sinne, sondern sie gehören trotz der sich aus Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG ergebenden Staatsferne des Rundfunks zur insoweit grundrechtsgebundenen öffentlichen Gewalt.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3; ZPO § 92
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 03.02.2021; Aktenzeichen 5 Ca 2279/20) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.02.2021 - 5 Ca 2279/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, über die Bewerbung des Klägers auf die Stellenausschreibung "Leiter/Leiterin der Ereignisredaktion p (Z -Ausschreibung Nr. 6 )" in B unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen
III.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege einer Konkurrentenklage um eine Stellenbesetzung. Dabei geht es in rechtlicher Hinsicht insbesondere um die Frage, ob die Regelung in Art 33 Abs. 2 GG auch auf Stellen im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anwendbar ist.
Der Kläger ist 64 Jahre alt. Er ist seit dem Monat Oktober des Jahres 2001 beim Sender p beschäftigt. In der Vergangenheit war er als stellvertretender Redaktionsleiter und kommissarischer Redaktionsleiter im Einsatz. Zuletzt war und ist der Kläger als Leitender Redakteur in der Programmgeschäftsführung beschäftigt. Tarifgemäß erhält er auf dieser Position eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 9.491,55 EUR zuzüglich einer Leistungszulage in Höhe von 440,00 EUR.
Mit der Ausschreibung zum 01.08.2020 (Anlage 1, Bl. 13 d.A.) suchte die Beklagte einen Leiter / eine Leiterin der Ereignisredaktion, vergütet nach der Vergütungsgruppe 11 MTV, also einer Vergütungsgruppe, die um eine Stufe höher ist, als diejenige, nach der der Kläger zuletzt vergütet wurde und wird. Die Vergütungsgruppe 11 MTV entspricht zurzeit einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 10.081,05 EUR. Im Ausschreibungstext heißt es unter anderem wörtlich:
"Ihre Aufgaben:
• Inhaltliche und programmverantwortliche Gestaltung aller Sendeflächen der Ereignisredaktion ("p vor ort", "p plus"; und "p der tag") inklusive der konkreten Wochenplanung und der redaktionellen Umsetzung der beschlossenen Ereignisse
• Konzeption, Koordination und Leitung der Berichterstattung zu politischen Großereignissen
• komplexe Abstimmung mit dem jeweiligen Abteilungsleiter bei p , insbesondere der Ereignisplanung und der digitalen Medien
• strategische Ausrichtung der Ereignisredaktion und entsprechende Programmentwicklung mit Schwerpunkt Online
• Moderation mit eigenen Texten von herausgegebenen p -Sendungen, wie langflächige Sondersendungen bei Parteitagen und Wahlen im In- und Ausland, umfangreiche, aktuelle Live-Sendungen vor Ort sowie der Sendung "p der tag"
• Personalführung der Ereignisredaktion, Zuständigkeit für die Planungen des Personal- und Moderatoreneinsatzes des Redaktionsteams
Ihr Profil:
• Abgeschlossenes Hochschulstudium, langjährige journalistische Tätigkeit, umfassendes journalistisches Fachwissen, insbesondere im Themenfeld Politik und Zeitgeschehen
• Ausgezeichnete Kenntnis der politischen Systeme und der politischen Lage im In- und Ausland mit entsprechender langjähriger beruflicher Erfahrung
• hohe redaktionelle Kompetenz und fundiertes journalistisches Urteil, sicheres Gespür für aktuelle Themen
• hohe Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft, Entscheidungskompetenz und Flexibilität
• Führungsqualität, hohe Sozialkompetenz
• Ausgeprägte Teamfähigkeit und zielorientierte Kommunikationsfähigkeit
• Sicheres Auftreten vor der Kamera, Moderationserfahrung
• Erfahrung bei der Mitarbeiterführung, teamorientierter kooperativer und integrativer Führungsstil."
Auf diese Stelle bewarb sich der Kläger rechtzeitig zusammen mit 14 weiteren Bewerberinnen und Bewerbern. Im Rahmen des Auswahlprozesses dokumentierte die Beklagte zwar eine Übersicht der persönlichen Daten und Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber (Anlage BK 1, Bl. 130 d.A.). Eine schriftliche Niederlegung der wesentlichen Auswahlerwägungen hat aber nicht stattgefunden. Die Parteien streiten in rechtlicher Hinsicht um die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte aus Art 33 Abs. 2 GG einen Bewerberverfahrensanspruch geltend machen kann, der schon durch das besagte Fehlen eine...