Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündgigung. wichtiger Grund

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob ein Co-Pilot fristlos zu entlassen ist, der der Entscheidung des Flugkapitäns folgt, einen Flug mit Übergewicht zu starten, welches durch Übertanken entstanden war.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 22.01.1997; Aktenzeichen 9 Ca 5391/94)

 

Tenor

Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22.01.1997 – 9 Ca 5391/94 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.

Streitwert: 22.500,00 DM.

 

Gründe

Von einer Darstellung des Tatbestandes (§ 313 Abs. 3 Nr. 5 ZPO) wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. Der Sach- und Streitstand ist aus dem angefochtenen Urteil und den beiderseitigen Schriftsätzen des Berufungsverfahrens ersichtlich.

Die an sich statthaften und auch im übrigen zulässigen Berufungen beider Parteien sind erfolglos.

Die Feststellungsklage gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.06.1994 ist begründet (§§ 13 Abs. 1 KSchG, 626 Abs. 1 BGB), und der Auflösungsantrag des Klägers gemäß § 13 Abs. 1 S. 3 KSchG ist unbegründet.

Diesen Feststellungen des angefochtenen Urteils einschließlich der dazu vom Arbeitsgericht mitgeteilten Entscheidungsgründe folgt das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung des beiderseitigen Berufungsvorbringens. Auf die Entscheidungsgründe des vorinstanzlichen Urteils vom 22.01.1997 wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen.

Ergänzend ist allenfalls folgendes zu bemerken:

Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage des beteiligten Flugkapitäns erkannt, daß schon das Gewicht des Fehlverhaltens zugunsten des Klägers, der nur der Co-Pilot gewesen ist, geringer einzuschätzen ist. Der von der Beklagten angeführte Grundsatz der Generalprävention ist nicht geeignet, die Gleichbehandlung der beiden Flugzeugführer in diesem Falle zu erzwingen. Der Kläger ist als Co-Pilot selbstverständlich kein bloßer Handlanger des Kapitäns gewesen, aber auch nicht der Letztverantwortliche für die Entscheidung, den Flug von Palma de Mallorca nach Nürnberg mit dem Übergewicht zu starten, welches durch ein versehentliches Übertanken entstanden war und an Ort und Stelle trotz entsprechender Bemühung bis zum Zeitpunkt des planmäßigen Abfluges nicht beseitigt werden konnte. Der Flugkapitän hatte in dieser Frage nach der gegebenen dienstlichen Arbeitseinteilung eigentlich das letzte Wort. Unstreitig hat eine konkrete Gefährdung von Personen oder Sachen weder beim Start noch bei der Landung tatsächlich bestanden. Auch wenn es nicht möglich ist, Anweisungen an die Crew auch dahingehend zu konkretisieren, wann der Co-Pilot dem Flugkapitän die Gefolgschaft verweigern muß, kann gerade eine „generalpräventive” Gleichstellung mit der Sanktion der fristlosen Kündigung weder die Sicherheit noch den technischen Betriebsablauf verbessern. Angemessen und verhältnismäßig wäre vielmehr in diesem Fall eine eindringliche Ermahnung oder Abmahnung gewesen, um zu erreichen, daß der Co-Pilot gezwungen wäre, im Einzelfall den Start zu verhindern. Auch Umkehrschlüsse aus Vorschriften über Ordnungswidrigkeiten des Flugpersonals ändern daran nichts. Die Frage, ob außer dem Piloten auch dem Co-Pilot als ultima ratio eine fristlose Kündigung zu erklären war, läßt sich damit nicht beantworten.

Der Überlegung der Beklagten, daß das Fehlverhalten des Klägers durch eine Fälschung der Unterlagen das notwendige Gewicht eines wichtigen Grundes erhielte, kann ebensowenig gefolgt werden, wie dies in der Vorinstanz der Fall gewesen ist. Das TRIP-INFO ist vom Kläger unterzeichnet und läßt erkennen, daß die Zahl von 15.300 Kg auf 10.000 Kg geändert worden ist. Nirgends ist jedoch erkennbar, daß diese Änderung vom Kläger zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, als der Kläger damit die Täuschung der Kontrolleure bzw. der Flugbetriebsleitung beabsichtigt haben müßte. Der Kläger hat dies bestritten und zu seiner Entlastung erklärt, die Änderung habe er nach der Anordnung des DEFUELING durch den Kapitän eingetragen und später nicht rückgängig gemacht, als es wider Erwarten nicht mehr dazu gekommen sei. Die Darlegungs- und Beweislast für den Grund zur außerordentlichen Kündigung hat der Kündigende, also hier zweifellos die Beklagte. Wenn es ferner zutrifft, daß der beteiligte Flugkapitän nicht zum ersten Mal durch ähnliche Eigenmächtigkeit aufgefallen und insoweit auch abgemahnt worden war, dann kann der Kläger auch aus diesem Grund nach eigenem Vorbringen der Beklagten nicht mit der schematischen Handhabung der Kündigungsbefugnis für dieses Risiko in die Mithaftung genommen werden.

Zum Auflösungsgrund, nämlich zu der Behauptung, daß dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könnte, haben sich aus der Berufung des Klägers keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Das Kündigungsschreiben, zweifellos in scharfem Ton formuliert, ist in seiner Bedeutung für die Zumu...

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