Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer Auszubildenden wegen anderweitiger Erbringung von Arbeitsleistungen trotz Krankschreibung
Leitsatz (amtlich)
1) Zur außerordentlichen Kündigung einer Auszubildenden im Einzelhandel, die an einem Tage, für den sie sich arbeitsunfähig krank gemeldet hatte, in den Abendstunden auf einer Karnevalsveranstaltung gekellnert hat.
2) Zur Darlegungs- und Beweislast des kündigenden Arbeitgebers gehört es auch, substantiiertes Rechtfertigungsvorbringen des Arbeitnehmers zu widerlegen, welches geeignet ist, die Kündigungsgründe in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.
3) Der Zweck eines Berufsausbildungsverhältnisses besteht u.a. auch darin, dem Auszubildenden die Grundregeln eines gehörigen Verhaltens am Arbeitsplatz nahezubringen. Dem Ausbilder in einem Berufsausbildungsverhältnis kann daher eine höhere "Frustrationstoleranz" zugemutet werden, als dem Arbeitgeber in einem regulären Arbeitsverhältnis.
Leitsatz (redaktionell)
1. Es stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, wenn ein Arbeitnehmer sich unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung krank meldet, am selben Tag aber für einen anderen Auftraggeber in nicht unerheblichem Maße Dienstleistungen erbringt.
2. Ergibt die Darstellung des Arbeitnehmers (hier: einer Auszubildenden), dass sie jedenfalls nicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen hat und auch nicht vorgelegt hat, um Lohnfortzahlung zu erschleichen, so hat der Arbeitgeber in der Begründung der Kündigung hierauf einzugehen.
3. Das Verhalten stellt jedenfalls dann keinen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, wenn es sich um ein Ausbildungsverhältnis handelt, da Auszubildende, deren Ausbildungsverhältnis verhaltensbedingt fristlos beendet wurde, es erfahrungsgemäß schwer haben, in einem gleichwertigen Ausbildungsverhältnis unter zu kommen.
Normenkette
BGB § 626; BBiG § 22
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 02.04.2014; Aktenzeichen 5 Ca 3271/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 02.04.2014 in Sachen 5 Ca 3271/13 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Kündigungsschutzklage in vollem Umfang stattzugeben, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 02.04.2014 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 25.04.2014 zugestellt. Sie hat hiergegen am 15.05.2014 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass das Arbeitsgericht § 22 Abs. 2Nr. 1 BBiG i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB falsch angewandt habe. Auch der Hinweis des Arbeitsgerichts auf § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG sei bei der im Zeitpunkt des Kündigungsgeschehens 20 Jahre und sieben Monate alten Klägerin irrelevant. Es sei nicht ersichtlich, wieso einem Auszubildenden im Alter von 20 Jahren zwar klar sein soll, dass er nicht in die Kasse greifen dürfe, dass er aber vermeintlich annehmen können solle, dass er berechtigt sein könnte, beim Ausbilder Entgeltfortzahlung zu erschleichen und gleichzeitig anderweitig gegen Entgelt als Arbeitnehmer tätig zu sein. Es sei unstreitig, dass die Klägerin spätestens am frühen Nachmittag des 09.11.2013 ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt gehabt habe. Der Fall sei genauso zu bewerten wie der, dass überhaupt keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen, der Auszubildende sich aber dennoch arbeitsunfähig krank gemeldet habe, um Vergütung zu erlangen und zudem anderweitig gegen Entgelt zu arbeiten. Vermögensdelikte wie das Erschleichen von Entgelt störten das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien dauerhaft, sodass der Ausspruch einer Abmahnung keineswegs ausreichend gewesen wäre.
Möglicherweise sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin sich erst am Nachmittag des 09.11.2013 zu der anderweitigen Tätigkeit entschlossen habe und sozusagen spontan falsch entschieden habe, als sie von ihrer Freundin gefragt worden sei, ob sie als Kellnerin einspringe. Diese Behauptung der Klägerin habe sie, die Beklagte, aber mit Nichtwissen bestritten. Deshalb habe das Arbeitsgericht diesen Vortrag der Klägerin nicht zugrundelegen dürfen, ohne Beweis zu erheben.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn, Az.: 5 Ca 3271/13, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte räumt ein, sich am 09.11.2013 falsch verhalten zu haben und dass eine Abmahnung der Beklagten berechtigt gewesen wäre.
Die K...