Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ohne Minderung des Arbeitsentgelts. Abgestufte Darlegungs- und Beweislast des Betriebsratsmitglieds bei Geltendmachung einer Vergütung. Hypothetische Betrachtung einer Gestellung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds. § 37 Abs. 2 BetrVG keine Begründung für eigenen Vergütungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Eine Einzelfallentscheidung zu einer hypothetischen Betrachtung zur Gestellung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 2; BGB § 611a Abs. 2; BetrVG § 78 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 29.11.2016; Aktenzeichen 5 Ca 1985/16 d) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.11.2016 - 5 Ca 1985/16 d - wird auch hinsichtlich der klageerweiternd gestellten Anträge zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem fortzusetzenden Berufungsverfahren über Vergütungsansprüche des als Betriebsratsmitglied von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Klägers.
Die Beklagte ist eine GmbH, deren Gesellschafter zu 90 % die Bundesrepublik Deutschland und zu 10 % das Land Nordrhein-Westfalen sind. Sie betreibt eine Forschungseinrichtung, in der etwa 5.700 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Der Kläger ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und seit dem 16. November 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Er war zunächst als Aushilfskraft und ab April 1988 als Anlagenwart und Tankwagenfahrer tätig. Im Jahr 1990 erwarb er eine Zusatzqualifikation als kerntechnischer Facharbeiter. Seit 2002 ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Ab dem 18. Juni 2014 wurde er in dieser Funktion vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt.
Wegen seiner ausgeübten Tätigkeit wird auf die Tätigkeitsdarstellung und Bewertung vom 02.05.2002 (Bl.349 der Akte) und das Zwischenzeugnis vom 14.04.2014 (Bl.359 der Akte) Bezug genommen.
Zwischen der Beklagten und u.a. ver.di wurde am 24. Februar 2015 der Firmentarifvertrag für die Beschäftigten sowie Auszubildenden der Beklagten (nachfolgend: MTV-F) abgeschlossen, in dessen § 2 auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für die Beschäftigten des Bundes (TVöD) in der jeweils gültigen Fassung verwiesen wird. Der Kläger wird nach Entgeltgruppe 7 Stufe 6 der Anlage A zum TVöD vergütet. Neben dem Grundgehalt erhält er eine Besitzstandszulage "Kinder" und eine Besitzstandszulage "Betriebsratstätigkeit" zum Ausgleich unständiger Bezügebestandteile.
Der Kläger war vor seiner Freistellung zuletzt im Geschäftsbereich "N -Service" tätig. Auf Grundlage eines Spaltungsvertrags vom 14. Juli 2015 übertrug die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2015 den überwiegenden Teil dieses Geschäftsbereichs (mit Ausnahme von zwei Fachabteilungen) im Wege eines Betriebsteilübergangs nach § 613a BGB auf die A GmbH (fortan: A). Rechtsnachfolger der A GmbH ist die J GmbH (fortan: J ). Im Zusammenhang mit dem Betriebsteilübergang schlossen die Beklagte und die A am 14. Juli 2015 einen Personalüberleitungsvertrag, dessen § 2 auszugsweise wie folgt lautet:
"(3) Arbeitnehmer, die dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gemäß § 613a BGB widersprechen, bleiben Arbeitnehmer des F. In diesem Fall wird das F die widersprechenden Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrates an die A im Sinne des § 4 Abs. 3 TVöD gestellen (Personalgestellung).
(4) Die widersprechenden Arbeitnehmer erbringen nach erfolgtem Betriebsteilübergang ihre Arbeitsleistung bei der A auf einem mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz. Die A verpflichtet sich, die Personalgestellung grundsätzlich nicht zu beenden. Durch die Gestellung wird der dauerhafte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum F gesichert. Die Einzelheiten werden in einem Personalgestellungsvertrag zwischen A und F geregelt. Die organisatorische Zuordnung der widersprechenden Arbeitnehmer im Forschungszentrum wird diesen im Rahmen der Überleitung bekannt gegeben.
...
(6) Sollte eine Gestellung im Sinne von § 2 Absatz 3 nicht mehr möglich sein, gelten die Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung des F zur Förderung der Binnenmobilität mit dem Ziel, den Einsatz auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz zu ermöglichen. So werden unter anderem bei der Übernahme neuer Arbeitsaufgaben im F die betreffenden Arbeitnehmer im Bedarfsfall unterstützt (z.B. Besuch von Fortbildungsveranstaltungen, gezielte Einarbeitung durch erfahrene Kollegen). Die entsprechenden Maßnahmen werden eingeleitet, sobald feststeht, in welchen neuen Arbeitsbereichen die Arbeitnehmer eingesetzt werden. ..."
§ 4 Abs. 3 TVöD lautet nebst Protokollerklärung:
"Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). ...