Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitsentgelts des freigestellten Betriebsratsmitglieds nach Wegfall des früheren Arbeitsplatzes
Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt es an vergleichbaren Arbeitnehmern im Sinne des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG, kann auf deren betriebsübliche berufliche Entwicklung nicht abgestellt werden, um das Arbeitsentgelt des freigestellten Betriebsratsmitgliedes zu bemessen.
2. Fehlt es an einem vergleichbaren Arbeitnehmer, weil der frühere Arbeitsplatz des freigestellten Betriebsratsmitgliedes ersatzlos weggefallen ist, bemisst sich das ihm zustehende Arbeitsentgelt nach der Tätigkeit, die ihm nach dem Arbeitsvertrag übertragen werden müsste, wenn es nicht freigestellt wäre (BAG, 17.05.1977 -1 AZR 458/74; ebenso LAG Rheinland-Pfalz, 21.09.2006 - 11 Sa 230/06).
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 4 S. 2, § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 29.11.2016; Aktenzeichen 5 Ca 1985/16) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteildes Arbeitsgerichts Aachen vom 29.11.2016- 5 Ca 1985/16 d - wird zurückgewiesen.
- Die klageerweiternd gestellten Anträge des Klägers werden abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsmitglied unter Berücksichtigung seines fiktiven beruflichen Werdegangs eine höhere Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Equal Pay zusteht.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Forschungseinrichtung der öffentlichen Hand. Gesellschafter der Beklagten sind zu 90 % die B und zu 10 % das Land N . Die Beklagte, die im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ist, beschäftigt etwa 5.700 Mitarbeiter.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1987 zunächst als Aushilfskraft, ab April 1988 als Anlagenwart und Tankwagenfahrer im Geschäftsbereich Nuklear-Service beschäftigt. Im Jahr 1990 erwarb er eine Zusatzqualifikation als kerntechnischer Facharbeiter. Seit 2002 ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates, seit Juni 2014 ist er freigestelltes Betriebsratsmitglied. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Beschäftigten sowie Auszubildenden der F GmbH (MTV F ) Anwendung, der in seinem § 2 auf den TVöD verweist. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 7 Stufe 6 TVöD eingruppiert. Neben dem Grundgehalt erhält der Kläger eine Besitzstandszulage "Kinder" und eine Besitzstandszulage "Betriebsratstätigkeit".
Mit Wirkung zum 01.09.2015 übertrug die Beklagte den überwiegenden Teil ihres Geschäftsbereichs "Nuklearservice" (bis auf zwei Fachabteilungen) im Wege des Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf die A (A ) G . In diesem Zusammenhang schlossen die Beklagte und die A am 14.07.2015 einen Personalüberleitungsvertrag (Blatt 29 bis 35 der Akte), in dessen § 2 unter anderem Folgendes geregelt ist:
"(3) Arbeitnehmer, die dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gemäß § 613a BGB widersprechen, bleiben Arbeitnehmer des F . In diesem Fall wird das F die widersprechenden Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrates an die A im Sinne des § 4 Abs. 3 TVöD gestellen (Personalgestellung).
(4) Die widersprechenden Arbeitnehmer erbringen nach erfolgtem Betriebsteilübergang ihre Arbeitsleistung bei der A auf einem mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz. (...)"
Über den beabsichtigten Teilbetriebsübergang informierte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20.07.2015 (Blatt 20 bis 25 der Akte). In dem Schreiben heißt es unter dem Stichpunkt "Kollektivrechtliche Regelungen" auszugsweise wie folgt:
"Die A und das F unterliegen unterschiedlichen Tarifbindungen. Im F gilt der (...), der auf den TVöD in der jeweils gültigen Fassung verweist. Für die A gelten der mit der ver.di geschlossene Manteltarifvertrag vom 01.01.1984, der Entgelttarifvertrag vom 01.01.2006 (...) in der jeweils gültigen Fassung."
Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 21.08.2015 und lehnte das ihm mit dem Informationsschreiben zugeleitete Angebot der AVR zum Abschluss einer "Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag" (Blatt 26 bis 28 der Akte) ab. In der abgelehnten Zusatzvereinbarung war u.a. eine Vergütung nach den bei der AVR geltenden Tarifverträgen vorgesehen.
Außer dem Kläger widersprachen noch ein weiterer Mitarbeiter und zwei Mitarbeiterinnen des betroffenen Geschäftsbereichs dem Betriebsteilübergang. Alle vier wurden mit Vollzug des Betriebsteilübergangs ab dem 01.09.2015 zunächst der bei der Beklagten bestehenden Organisationseinheit TB-P zugeordnet. Von diesen ist nur der Mitarbeiter N im Wege der Personalgestellung für die A als Ingenieur tätig und wird von der Beklagten unverändert nach der Entgeltgruppe 12 des TVöD vergütet. Eine der beiden Mitarbeiterinnen befand sich bereits in Altersteilzeit. Sie wurde nicht (mehr) im W...