Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit i.S. von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG

 

Leitsatz (redaktionell)

Wiederholte Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit und damit eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn die Krankheit, auf der die frühere Arbeitsunfähigkeit beruhte, in der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent weiter bestanden hat, so dass die neue Erkrankung nur eine Fortsetzung der früheren Erkrankung darstellt.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 18.06.2015; Aktenzeichen 4 Ca 9257/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2015 - 4 Ca 9257/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Zurückweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.191,38 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 96 % und die Klägerin zu 4 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. während Durchführung einer medizinischen Rehabilitation für den Zeitraum 08.09.2014 bis 12.10.2014.

Die Klägerin ist seit dem September 2002 bei der Beklagten als Verwaltungskraft/Kassiererin beschäftigt. Wegen der Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Beziehungen wird auf den Änderungsvertrag vom 01.11.2004 (Bl. 20 f. d. A.) verwiesen. Das monatliche Entgelt beträgt laut Abrechnung August 2014 (Bl. 22 d. A.) 1.905,68 € brutto.

Die Klägerin war im Jahre 2014 wiederholt und zwar vom 07.01.2014 bis 17.03.2014, vom 09.04.2014 bis 12.04.2014, vom 18.07.2014 bis 21.07.2014 und vom 11.08.2014 bis 08.09.2014 arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 09.09.2014 bis zum 14.10.2014 führte sie eine stationäre medizinische Rehabilitation durch.

Den Arbeitsunfähigkeitszeiten im April und Juli 2014 lag eine psychosomatische Erschöpfungserkrankung zugrunde. Die Arbeitsunfähigkeit ab dem 11.08.2014 beruhte laut ärztlichem Attest vom 05.02.2015 (Bl. 50 d. A.) auf den Folgen eines Fahrradsturzes. Die stationäre medizinische Rehabilitation erfolgte aufgrund eines psychosomatischen Krankheitsbildes.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.06.2015 (Bl. 59 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nicht dargetan, auf welcher Erkrankung die Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum 07.01.2014 bis 17.03.2014 beruhe, so dass nicht festgestellt werden könne, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbingens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihr am 13.07.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 31.07.2015 Berufung eingelegt und diese am 26.08.2015 begründet.

Die Klägerin behauptet, sie habe in der Zeit vom 07.01.2014 bis zum 17.03.2014 an den Nachwirkungen einer Fußoperation gelitten. Zum Nachweis beruft sie sich auf einen Auszug aus der Krankenakte der behandelnden Ärzte (Bl. 100 f. d. A.) sowie ein ärztliches Attest dieser Ärzte vom 21.08.2015 (Bl. 102 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Bruttolohn in Höhe von 2.286,81 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.06.2015- 4 Ca 9257/14 - kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bestreitet mit Nichtwissen die Angaben der Klägerin zur krankheitsbedingten Fehlzeit vom 07.01.2014 bis zum 17.03.2014.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 25.08.2015 und vom 29.09.2015, die Sitzungsniederschrift vom 17.02.2016 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist in der Sache überwiegend erfolgreich. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für den 08.09.2014 und aus den §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für die Zeit vom 09.09.2014 bis 12.10.2014 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.191,38 € brutto.

1. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sec...

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