Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverbot. konkludente Aufhebung. Konkurrenzfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
An der Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung ändert sich nichts, wenn der Arbeitnehmer subjektiv, etwa infolge längerer Arbeitsunfähigkeit, nicht in der Lage ist, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen.
Normenkette
HGB §§ 74, 75a
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 30.09.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1615/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.09.2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 3 Ca 1615/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Karenzentschädigung aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß § 5 des Arbeitsvertrages vom 19.12.1995 (Kopie Bl. 4 ff. d. A.). Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Prozessvergleich vom 08.07.2009 (Kopie Bl. 14 f. d. A.) zum 31.03.2010. Von einer weitergehenden Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Durch Urteil vom 30.09.2010 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung der monatlichen Karenzentschädigung in Höhe von 2.022,50 EUR brutto für die Zeit von April 2010 bis März 2012 verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht verzichtet, zumal der Prozessvergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Aussage zum Wettbewerbsverbot enthalte. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verfallen, weil er sie mit Schreiben vom 26.04.2010 rechtzeitig geltend gemacht habe.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, sie habe durch den Prozessvergleich stillschweigend auf das Wettbewerbsverbot verzichtet. Das ergebe sich bei verständiger Auslegung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage aus der unwiderruflichen Freistellung des Klägers. Mit dem Vergleich sei eine Gesamtregelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezweckt worden. Das nunmehrige Berufen des Klägers auf das längst vergessene Wettbewerbsverbot sei treuwidrig, zumal gar keine Wettbewerbsmöglichkeit für ihn bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.09.2010 – 3 Ca 1615/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil aus Rechtsgründen und meint, die Beklagte habe eine Regelung über das Wettbewerbsverbot in dem abschließenden Prozessvergleich versäumt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Die Klage ist begründet, wie das Arbeitsgericht mit zutreffenden Gründen ausgeführt hat. Die Einwände der Berufung rechtfertigen keine andere Entscheidung. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Karenzentschädigung in unstreitiger Höhe folgt aus § 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vom 19.12.1995 i. V. m. § 74 Abs. 2 HGB. Ein Verzicht auf das wirksam vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot, der nach § 75 a HGB vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jederzeit „durch schriftliche Erklärung” möglich gewesen wäre, hat weder ausdrücklich noch stillschweigend stattgefunden. Er kann insbesondere nicht durch Auslegung aus dem von den Prozessbevollmächtigten der Parteien ausgehandelten Prozessvergleich hergeleitet werden.
Zutreffend ist allerdings im Ausgangspunkt, dass die Arbeitsvertragsparteien jederzeit durch schriftliche Vereinbarung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot aufheben können. Das kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch durch eine in einem Vergleich enthaltene Ausgleichsklausel geschehen (vgl. BAG 24.06.2009 – 10 AZR 707/08 – F –, juris, m. w. N.). Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer Ausgleichsklausel abgegebenen Erklärungen haben, ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. So kann in der Vereinbarung, dass mit der Erfüllung des Vergleichs „sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig ob bekannt oder unbekannt, erledigt sind”, ein negatives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB liegen, welches auch die Ansprüche auf Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und auf Zahlung einer Karenzentschädigung erfasst (vgl. BAG a.a.O.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, gerichtlichen Vergleichen und sog. Abwicklungsverein...