Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Betriebsratsanhörung. Annahmeverzug. Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Verzugslohnansprüche
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Restmandat des Betriebsrats für Kündigungen gegenüber den dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmern gemäß § 21 b BetrVG analog.
2. Zur Darlegungslast für ein Leistungsunvermögen i. S. d. § 297 BGB.
Leitsatz (redaktionell)
1. Kündigt der bisherige Betriebsinhaber einem Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Beschäftigungsbetriebes auf einen anderen Unternehmer widersprochen hat, mit der Begründung, nunmehr bestehe für ihn keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr, so handelt es sich nicht um eine nach § 613a Abs. 4 BGB unzulässige Kündigung, sondern um eine nach § 1 KSchG zu beurteilende betriebsbedingte Kündigung aus sonstigen Gründen.
2. Die Rechtsfolgen aus § 21b BetrVG finden analoge Anwendung, da sich das Restmandat des Betriebsrats funktional bezogen auf alle im Zusammenhang mit der Stilllegung sich ergebenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte bezieht, wozu neben dem Abschluss eines Sozialplans auch solche betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben gehören, die sich daraus ergeben, dass trotz tatsächlicher Stilllegung des Betriebes noch nicht alle Arbeitsverhältnisse rechtlich beendet sind und evtl. einzelne Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden.
3. Der Gläubiger kommt nach § 297 BGB nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebotes oder im Falle des § 296 BGB zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken; entfällt das Leistungsvermögen des Arbeitnehmers, wird die vertraglich geschuldete Leistung unmöglich.
Normenkette
KSchG § 1; BetrVG §§ 102, 21b; BGB §§ 615, 297, 296, 613a Abs. 4; KSchG § 1 Abs. 2, § 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 14.10.2011; Aktenzeichen 1 Ca 6564/09) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.10.2011 - 1 Ca 6564/09 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen und um Verzugslohnansprüche des Klägers.
Der am ... 1968 geborene Kläger, verheiratet und Vater eines Kindes, war seit dem 20.09.2000 als Reiniger bei der Beklagten, die ein Industriereinigungsgewerbe jedenfalls vor dem von ihr behaupteten Betriebsübergang auf die Firma E I GmbH zum 01.06.2009 betrieben hat, bei einem monatlich durchschnittlichen Bruttoeinkommen von zuletzt 2.459,00 € beschäftigt.
Nachdem der Kläger unter dem 14.05.2009 Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses aufgrund Betriebsübergangs von der Beklagten auf die Firma E I GmbH zum 01.06.2009 eingereicht hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung vom 23.06.2009 zum 31.07.2009.
Hiergegen richtet sich die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage vom 13.07.2009, die am selben Tag beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist.
Der Kläger hat erstinstanzlich das Fehlen eines die Kündigung sozial rechtfertigenden hinreichenden Kündigungsgrundes geltend gemacht. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte verfüge weiterhin über Beschäftigungsmöglichkeiten gegenüber dem Kläger. Unzutreffend sei, dass die Beklagte keine Aufträge mehr bearbeite. Diese verfüge weiterhin über Anlagevermögen, so dass der Einsatz von Arbeitnehmern erforderlich sei. Die Beklagte setze daher weiter Arbeitnehmer für Reinigungsarbeiten in Kraftwerken ein - dies seien u. a. die Mitarbeiter B , K und A sowie mindestens drei weitere Mitarbeiter. Diese hätten dem Betriebsübergang auf die Firma E I GmbH widersprochen und diesen Widerspruch nicht zurückgenommen, so dass sie weiterhin von der Beklagten weiterbeschäftigt würden. Zudem hat sich der Kläger auf ein Zertifikat der Firma R vom 14.12.2010 berufen, in dem die Beklagte als strategischer Lieferant bezeichnet worden ist, woraus zu folgern sei, dass die Beklagte weiterhin unternehmerisch tätig sei. Zudem hat der Kläger die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung gerügt. Er hat sich hierzu darauf berufen, dass vor dem Betriebsübergang bei der Beklagten ein Betriebsrat bestanden habe und dieser nach dem Betriebsübergang auf die Firma E I GmbH mit einem Restmandat gemäß § 21 b BetrVG für das Anhörungsverfahren im Rahmen von Kündigungen nach § 102 BetrVG zuständig sei. Der Betriebsrat sei im Fall der Kündigung des Klägers nicht angehört worden. Zudem hat der Kläger Vergütung für den Zeitraum September bis November 2009 geltend gemacht und hierzu auf seine Arbeitsfähigkeit gemäß seiner Mitteilung vom 25.08.2009 verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,