Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Abmahnung eines Busfahrers wegen Verlasses eines angeblichen Unfallorts vor Eintreffen der Polizei
Leitsatz (amtlich)
Behauptet ein PKW-Fahrer gegenüber einem Linienbusfahrer, dieser habe mit dem Bus sein Auto berührt und beschädigt und er rufe nunmehr die Polizei, ist der Busfahrer grundsätzlich auch im Interesse seines Arbeitgebers gehalten, das Eintreffen der Polizei abzuwarten, auch wenn er überzeugt ist, dass es keine Berührung gegeben habe. Eine Abmahnung, die ihm vorwirft, gleichwohl ohne Abwarten weitergefahren zu sein, ist berechtigt.
Normenkette
BGB §§ 611, 1004; StGB § 142
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 27.01.2017; Aktenzeichen 17 Ca 5740/16) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.01.2017 in Sachen 17 Ca 5740/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die vorzeitige Entfernung einer Abmahnung der Beklagten vom 21.03.2016 aus der Personalakte des Klägers.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 17. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 27.01.2017 in Sachen 17 Ca 5740/16 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 15.02.2017 zugestellt. Er hat hiergegen am 10.03.2017 Berufung eingelegt und diese am 06.04.2017 begründet.
Der Kläger und Berufungskläger bestreitet nach wie vor, dass er bei dem Vorfall am 15.02.2016 um 7.40 Uhr mit dem von ihm gelenkten Bus das Fahrzeug des Zeugen G berührt habe. Da dies nicht geschehen sei, habe auch kein Unfall vorgelegen. Der Kläger ist der Meinung, für die Entscheidung des Rechtsstreits sei entscheidend, ob es tatsächlich zu einem Unfall gekommen sei. Nur für den Fall, dass tatsächlich ein Unfall geschehen sei, schreibe die Unfallrichtlinie der Beklagten eine Wartepflicht vor. Nur dann könne auch der strafrechtliche Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werden.
Der Kläger beanstandet, dass das Arbeitsgericht davon ausgegangen sei, der andere an dem Vorfall vom 15.02.2016 beteiligte Autofahrer habe zumindest einen plausiblen Verkehrsunfall behauptet.
Der Berufungskläger macht geltend, der Arbeitgeber müsse einem Busfahrer klare Richtlinien für den Fall geben, dass er völlig ungerechtfertigt von einem Fahrgast, einem Passanten oder eben einem anderen Autofahrer aufgefordert werde, etwaige vermeintliche Tatorte nicht zu verlassen. Eine derartige Wertungsfrage könne von einem Busfahrer nicht beantwortet werden.
Auf den vollständigen Inhalt der klägerischen Berufungsbegründung vom 05.04.2017 und den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 26.05.2017 wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils erster Instanz zu verurteilen, die Abmahnung zu Lasten des Klägers vom 21.03.2016 aus der Personalakte des Klägers und Berufungsklägers zu entfernen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie weist darauf hin, dass der Zeuge G sowohl gegen sie, die Beklagte, wie auch gegenüber dem Kläger ein zivilrechtliches Schadensersatzverfahren anhängig gemacht habe. Außerdem ermittle die Staatsanwaltschaft Köln gegen den Kläger wegen Verkehrsunfallflucht.
Feststehe, dass der Kläger mit dem von ihm gefahrenen Omnibus links an einer Schlange von wartenden PKWs vorbeifahren wollte, mit seinem Omnibus aber zunächst nicht "vorbeigekommen" ist und dass er deshalb ausgestiegen und mit dem Zeugen G einen Dialog geführt hat, dass der Kläger sich sodann links an dem PKW des Herrn G "vorbeigedrängt" habe und jener dem Kläger zur Haltestelle nachgegangen sei und ihn darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Kläger das von Herrn G gefahrene Fahrzeug beschädigt habe und Herr G deshalb die Polizei rufen werde. Unstreitig sei des Weiteren, dass ausweislich der polizeilichen Ermittlungsakte die am Ort des Geschehens erschienenen Polizeibeamten in einer Höhe von 53 bis 55 cm an dem schwarzen Opel Corsa des Herrn G einen weißen Lackabrieb festgestellt hätten. Bei dieser Sachlage habe der Kläger sich nicht einfach auf den Standpunkt stellen können, "es sei nichts passiert," und dann weiterfahren.
Es gehe dabei nicht um die strafrechtliche, sondern um die arbeitsvertragliche Wertung des Geschehens. Bezeichnenderweise definiere die Unfallrichtlinie in Ziffer 2.8 den Begriff des Unfallbeteiligten mit einer Person, "dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfallsbeigetragen haben kann." Daraus werde deutlich, dass die Wartepflicht nicht erst bestehe, wenn ein Zusammenstoß als solcher evident und unstreitig sei, sondern auch schon dann, wenn sich e...