Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Busfahrers wegen Losfahrens an einer Haltestelle unter Umgehung umfangreicher Sicherungsmaßnahmen
Leitsatz (redaktionell)
Der dringende Verdacht, dass ein Busfahrer den Bus an einer Haltestelle vorsätzlich unter Motorlast angefahren hat, obwohl er wusste, dass die hintere Tür nicht geschlossen war, wodurch ein Fahrgast aus dem Bus auf den Fußweg stürzte, rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung.
Normenkette
BGB §§ 626, 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 22.06.2017; Aktenzeichen 3 Ca 294/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22.06.2017 - 3 Ca 294/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Der am . .19 geborene Kläger ist seit dem 01.09.2011, zuletzt auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30.08.2012 (Bl. 54 ff. d. A.), bei der Beklagte, die ein Verkehrsunternehmen des öffentlichen Nahverkehrs betreibt, als Omnibusfahrer beschäftigt.
Mit E-Mail vom 17.01.2017 und vom 18.01.2017 beschwerten sich zwei Fahrgäste unabhängig voneinander über den Kläger, weil dieser Haltestelle Ko Gymnasium mit offener Tür losgefahren und dabei eine Frau aus dem fahrenden Bus gefallen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der E-Mails wir auf Bl. 62 ff. d. A. verwiesen.
Der vom Kläger gesteuerte Bus ist technisch dergestalt eingerichtet, dass er - soweit kein technischer Mangel vorliegt - bei offenen Türen nicht unter Motorlast angefahren werden kann, es sei denn eine Notlöseeinrichtung im Fahrerbereich wird bedient. Mit der Notlöseeinrichtung kann die Anfahrsperre überbrückt werden.
Ausweislich des Prüfberichts der internen Werkstatt vom 19.01.2017 (Bl. 65 d. A.) wurden die sicherheitstechnische Einrichtung der Türanlagen 1 bis 4 mechanisch und elektrisch überprüft. Das Fahrzeug war hiernach ohne Beanstandung fahrbereit.
Die Beklagte hörte den Kläger am 20.01.2017 zu dem Vorfall am 17.01.2017. Der Kläger gab u. a. an, dass der Bus ohne Gas zu geben mit offener Tür angerollt sei und er ihn wieder nach ca. 10 Metern abgebremst habe, den Entsicherungsschalter für die Türen habe er nicht betätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Besprechungsbericht vom 20.01.2017 (Bl. 60 f. d. A.) verwiesen.
Am 27.01.2017 hat die Beklagte den Vorgang vom 17.01.2017 simuliert und zudem die Videoaufnahmen eingesehen. In dem Bus waren vier Kameras mit unterschiedlichen Perspektiven installiert.
Mit Schreiben vom 30.01.2017 hat die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, fristlosen und hilfsweise fristgerechten Tat- als auch Verdachtskündigung angehört. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 29 ff. d. A. Bezug genommen.
Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 02.02.2017 (Bl. 8 f. d. A.) dem Kündigungsbegehren widersprochen, da u. a. ein elektronischer Defekt "nicht in Gänze ausgeschlossen" werden könne.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.06.2017 (Bl. 155 ff. d. A.) die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den Kameraufzeichnungen des Busses hinreichend ergebe, dass der Kläger aktiv von der Bushaltestelle angefahren sei, obwohl die Tür geöffnet gewesen sei, in der die gerade eingestiegene und später verunfallte Frau gestanden habe. Ob der Kläger die Haltestellenbremse durch sein Handeln gelöst habe, diese zuvor von Dritten gelöst worden sei oder ein technischer Defekt vorgelegen habe, könne zwar nicht festgestellt werden, jedoch habe der Kläger weitere umfangreiche Sicherungsmaßnahmen beim Losfahren des Buses missachtet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihm am 19.07.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.07.2017 Berufung eingelegt und diese am 04.09.2017 begründet.
Der Kläger greift die Sachverhaltsfeststellungen des Arbeitsgerichts an. Er sei weder unter Motorlast angefahren noch habe er den Bus in die Fahrbahnmitte gelenkt. Die Notlöseeinrichtung habe er nicht bedient, so dass sich das Fahrzeug nur rollend und ohne Motorkraft in Bewegung gesetzt haben könne. Es sei daher davon auszugehen, dass ein technisches Problem zu dem bedauerlichen Vorfall geführt habe.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Bonn zu Az. 3 Ca 294/17 vom 22.06.2017 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Tat- noch durch die Verdachtskündigung vom 03.03.3017 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor: Das Fehlverhalten des Klägers sei nicht nur durch die Videodokumentation belegt sondern auch dadur...