Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit und Auslegung einer Vertragsstrafenklausel in einem Arbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Vertragsstrafenabreden bei Verstößen gegen die Kündigungsfrist oder vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind in Arbeitsverträgen nicht generell ungewöhnlich.
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.
3. Ausgehend vom objektiven Inhalt und typischen Sinn ist eine Vertragsstrafenklausel aus der Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise so zu verstehen, dass von dem die Vertragsstrafe auslösenden Regelbeispiel "Nichteinhaltung der Kündigungsfrist" auch die außerordentliche Kündigung ohne wichtigen Grund des Arbeitnehmers erfasst ist.
4. Eine Vertragsstrafe verstößt nicht gegen besondere Klauselverbote. § 309 Nr. 6 BGB findet ebenso wenig Anwendung wie § 309 Nr. 12 BGB.
5. Das in einer Klausel fehlende Erfordernis des "Verzugs" bzw. des "Verschuldens" steht der Transparenz ebenfalls nicht im Weg. Dies folgt schon aus § 339 Satz 1 BGB.
6. Die gegenüber dem Gesetz (§ 622 Abs. 3 BGB) verlängerte Probezeitkündigungsfrist von vier Wochen benachteiligt den Arbeitnehmer jedenfalls dann nicht unangemessen, solange sie für beide Parteien in gleichem Maße gilt, § 622 Abs. 6 BGB, und die Grundkündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB nicht überschreitet.
7. Eine der Dauer der Vertragsverletzung proportionale Vertragsstrafe entspricht während der vereinbarten Probezeit genau dem Arbeitsentgelt für die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist - hier vier Wochen - und ist damit zulässig.
Normenkette
BGB § 309 Nr. 12, §§ 305, 307, 309 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 15.01.2015; Aktenzeichen 11 Ca 5420/14) |
Nachgehend
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Januar 2015 - 11 Ca 5420/14 - abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Vertragsstrafe iHv. 1.540,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2014 zu zahlen.
- Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verwirkung einer Vertragsstrafe des beklagten Arbeitnehmers.
Der Kläger betreibt einen kleinen Pflegedienst. Der Beklagte ist gelernter Altenpfleger. Er befindet sich seit Februar 2011 in der Privatinsolvenz und bis voraussichtlich Februar 2017 im Restschuldbefreiungsverfahren.
In dem vom Kläger für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Arbeitsvertrag (AV), auf sieben Seiten gedruckt - von den Parteien am 23. Mai 2014 unterschrieben - sind folgende Regelungen enthalten:
"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses Dauer und Tätigkeit
...
5. Für den Fall das der Arbeitnehmer schuldhaft die Arbeit nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, wird eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttogehalts vereinbart.
...
§ 6 Kündigung
1. Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. In dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 28 Tagen gekündigt werden.
...
4. Die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Für den Fall ihrer Unwirksamkeit gilt eine fristlose Kündigung als fristgerechte Kündigung zum nächst möglichen Termin.
...
6. Für den Fall das der Arbeitnehmer die Arbeit nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als vereinbart aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer oder vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist ohne wichtigen Grund beendet, ist eine Vertragsstrafe zu zahlen.
§ 7 Vergütung
Der Arbeitnehmer erhält eine Vergütung von 1.650,00 Euro monatlich brutto.
...
§ 15 Vertragsstrafe
1. Eine Vertragsstrafe ist wegen nachfolgend genannten Verstöße fällig:
a) unentschuldigtes Fehlen
b) Nichtantritt der Arbeit bei Vertragsbeginn
c) Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
d) Abwerbung von Mitarbeitern
e) Abwerbung von Patienten
f) Diebstahl
g) Körperverletzung
h) grober Verstoß gegen §§ 8 und 9
2. Für die Probezeit gilt als Vertragsstrafe die Höhe des Bruttolohns, der im Zeitraum der Kündigungsfrist erreichbar, als vereinbart. (Beispiel: 3 Wochen = 18 Arbeitstage x 6,67 h = 120 h x Stundensatz gleich Vertragsstrafe).
3. ...
4. Eine Vertragsstrafe ist auch dann fällig, wenn ein Grund vorliegt, der zu einer fristlosen Kündigung führen würde.
§ 16 Ausschluss- und Verfallfristen
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Au...