Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche der Arbeitnehmer auf Sozialplanabfindung aufgrund eines betrieblichen Interessenausgleichs aus Anlass einer Betriebsänderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Betriebsparteien können zur Herstellung von Rechtssicherheit ein Verfahren oder einen Stichtag bestimmen und auf diese Weise festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die konkrete Betriebsänderung veranlasst wurde oder nicht. Dazu kann die Ausgleichspflicht an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem die Art und Weise der durchzuführenden Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer feststeht. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dürfen die Betriebsparteien in einem solchen Fall davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beenden, bevor das Ausmaß einer sie treffenden Betriebsänderung konkret absehbar und der Umfang der daran knüpfenden wirtschaftlichen Nachteile prognostizierbar ist, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beenden
2. Erst mit dem Abschluss des Interessenausgleichs stand der Umfang der betriebsändernden Maßnahmen und der Zeitpunkt seiner Umsetzung - wenn überhaupt - hinreichend fest. Ab diesem Zeitpunkt stand im Ansatz fest, welche Mitarbeitergruppen zu welchem Zeitpunkt von der Standortverlagerung betroffen waren.
3. Für § 628 Abs. 2 BGB muss die Kündigung des Arbeitnehmers durch vertragswidriges schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden sein. Die Kündigung muss also ihren Grund gerade in einem vertragswidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils haben - so genanntes Auflösungsverschulden. Für dieses Verschulden genügt nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung. Vielmehr muss ihr das Gewicht eines wichtigen Grunds zukommen und zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 628
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.02.2015; Aktenzeichen 12 Ca 1595/14) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10. Februar 2015 - 12 Ca 1595/14 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung bei einer Sozialplanabfindung sowie auf Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens der Beklagten.
Der Anfang 1974 geborene Kläger war seit Juli 2003 bei der beklagten Fluggesellschaft als Systemadministrator mit Einsatzort K beschäftigt.
Seit 2012 trat die Beklagte in Überlegungen zur Verlegung ihres Standorts von nach M ein. In einer Mitteilung vom 15. April 2013 teilte sie mit, dass in den nächsten Wochen ein konkreter Umzugsfahrplan entwickelt werde. In einer weiteren Mitteilung von Mai 2013 teilte sie mit, dass sich im Zuge der Verlagerung des Standorts Rahmenbedingungen, Prozesse und nicht zuletzt die persönliche Lebenssituation der meisten Kollegen verändern würden.
Der Betriebsrat unterrichtete die Mitarbeiter am 11. Juni 2013, dass Gespräche zwischen den Betriebsparteien zum Austausch gegenseitiger Positionen wegen verschiedener Möglichkeiten hinsichtlich des Standortwechsels stattfänden.
Am 20. Juni 2013 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Oktober 2013. Darin bat er die Beklagte, das Arbeitsverhältnis vorzeitig mit Wirkung zu Ende September 2013 aufzulösen, damit er die neue Stelle antreten könne. Er hoffe bei einem Sozialplan rückwirkend berücksichtigt zu werden. Die Beklagte erklärte sich mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das eigentlich nur zum 31. Dezember 2013 beendet werden konnte, zum 31. Oktober 2013 in einem Schreiben vom 25. Juni 2013 einverstanden.
Am 29. Oktober 2013 schlossen die Betriebsparteien einen Interessenausgleich und Sozialplan (IASP). Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:
"...
I. Interessenausgleich
§ 1 Geltungsbereich
Dieser Interessenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bodenpersonals (im folgenden: Mitarbeiter) die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bei der C beschäftigt, und von der Standortverlagerung gemäß § 2 betroffen sind.
...
§ 2 Standortverlagerung
(1) Die Hauptverwaltung sowie die administrativen Funktionen des Technikbetriebs am Standort K , mit Ausnahme von Arbeitsplätzen, die der "Businessunit Heavy Maintenance" zugeordnet sind, werden nach M verlagert (im Folgenden: Standortverlagerung). Ob hierbei auch der Bereich Materialwirtschaft nach M verlegt wird, wird derzeit untersucht und gesondert mit dem Betriebsrat beraten und entschieden. In K nach der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung neu geschaffene Stellen für neue Aufgabenstellungen sind von der Standortverlagerung ebenfalls nicht betroffen.
(2) Der Umzug nach M wird fachabteilungsbezogen nach Maßgabe des in Anl. 1 beigefügten Umzugsplanes durchgeführt. Danach werden die personellen Maßnahmen unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen mit Wirkung zum ...