Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Dienstcomputer. Email. pornographische Dateien. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Interessenabwägung. Außerordentliche Kündigung. Missbrauch des Dienst-PC
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem im Kündigungsrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann die Kündigung eines langjährig beanstandungsfrei beschäftigten Arbeitnehmers unwirksam sein, der - bei erlaubter gelegentlicher privater Nutzung des Dienstcomputers im Beschäftigungsbetrieb - innerhalb eines Zeitraums von mehr als 6 Jahren
a. von seinem Dienstcomputer aus
aa. 2 Dateien mit pornographischen Bildern an einen Arbeitskollegen weitergeleitet hat,
bb. 2-mal mit betriebsfremden Personen über 2 und 3 Stunden einen Email-Schriftwechsel mit eindeutig sexuellem Inhalt geführt hat,
cc. in geringem Umfang Emails über den Verkauf und Ankauf verschiedener Gegenstände und sonstigem privaten Inhalt versandt hat,
b. von seinem Arbeitsplatz aus eine Betreuungsangelegenheit wahr genommen hat.
2. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer kurz vor der Sicherstellung seines Dienstcomputers durch den Werkschutz der Arbeitgeberin auf dem Dienstcomputer eine größere Anzahl von Dateien und Internetverläufen gelöscht hat, und dass nach der Sicherstellung innerhalb von 2 Monaten 600 private Newsletter auf diesem Rechner eingegangen sind, begründet nicht den dringenden Verdacht, dass der Arbeitnehmer über die nachweislichen Verstöße hinaus in noch größerem Umfang in unerlaubter Weise das Arbeitsmittel genutzt hat.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 616 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 17.01.2012; Aktenzeichen 14 Ca 1740/11) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung der Beklagten vom 24. Februar 2011, hilfsweise durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Februar 2011 beendet worden ist.
Der Kläger, ------, ist bzw. war bei der Beklagten seit dem 1. September 1979 beschäftigt. Er war zunächst bei der Beklagten Auszubildender. Danach war er zunächst als Universalschleifer tätig. Zuletzt war er beschäftigt als Qualitätsmanager zu einem monatlichen Gehalt von EUR 4.056,52.
Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung vom 16. November 2005 über die Nutzung firmeneigener Computersysteme. Darin heißt es u. a.:
§ 3 Grundsätze der Nutzung der firmeneigenen Computersysteme
1. ....
Die Speicherung oder Weitergabe von nicht dem Geschäftszweck dienenden Daten oder Programmen oder die Versendung unangemessener Nachrichten oder Dateien mit Hilfe eines firmeneigenen Systems ist untersagt. Beispielsfälle für den Missbrauch der firmeneigenen Computerressourcen sind:
Herunterladen oder Nutzen von nicht durch das Unternehmen autorisierter Software oder Computerprogrammen,
Zugriff, Weitergabe, Kopie, Verwendung oder Speicherung von Dateien mit sexuellem, obszönen, verleumderischen, belästigenden, illegalen oder in anderer Weise unangebrachtem Inhalt,
Kopieren, Weitergeben, Veröffentlichen oder Speichern von Dateien, die Marken-, Copyright-, Lizenz oder andere Rechte an geistigem Eigentum verletzen,
Teilnahme an externen Online "Chat Groups",
Online-Spiele,
Versenden von E-Mail Kettenbriefen oder unerlaubten Massenmails,
Betreiben von geschäftlichen Aktivitäten im eigenen Namen,
Jede andere Nutzung, die illegal ist, die Firmenrichtlinien verletzt oder den Ruf der Firma, ihrer Mitarbeiter, Kunden oder Aktionäre schädigen könnte.
2. Die Firma akzeptiert, dass die gelegentliche private Nutzung der firmeneigenen Computersysteme und ähnlicher firmeneigener Ressourcen durch F -Mitarbeiter (oder durch Fremdfirmenmitarbeiter) erfolgen kann, ohne dass damit die Interessen der Firma beeinträchtigt werden dürfen. Beispiele für die zulässige private Nutzung sind gelegentliche E-Mails und Telefongespräche nach Hause oder der Zugriff auf Internet-Seiten mit Informationen über das Tagesgeschehen, das Wetter oder die Verkehrslage. Der private Gebrauch dieser firmeneigenen Ressourcen darf während der Arbeitszeit nur gelegentlich erfolgen und die Arbeitsleistung des/der Betroffenen oder anderer Personen sowie die Arbeitsorganisation nicht beeinträchtigen.
§ 4 Protokollierung
1. Die Zugriffe auf Inhalte der firmeneigenen Computersysteme sollen unter Berücksichtigung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen automatisch protokolliert werden. Die Protokollierung umfasst:
die CDS ID des Users,
das Datum und die Uhrzeit der Datenübermittlung zwischen dem lokalen Netz und dem Internet,
den Umfang der Daten,
die jeweilige Internet-Adresse des Absenders bzw. des Empfängers der Daten.
2. Die Protokolldaten dienen ausschließlich
...
der Überprüfung im Falle eines Missbrauchsverdachts
§ 5 Auswertung der Protokolldaten
1. Eine generelle Verhaltens- oder Leistungskontroll...