Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung und Erfüllung des Erholungsurlaubs. Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG. Prüfung der Bemühungen des Arbeitnehmers um die Erlangung einer anderweitigen Tätigkeit. Nachweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Erschütterung des Beweiswerts der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur Frage, ob der Kläger böswillig anderweitigen Verdienst i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG unterlassen hat (hier verneint)
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Erteilung und wirksame Erfüllung des Erholungsurlaubs setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird.
2. Der Arbeitnehmer unterlässt böswillig anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert.
3. Nach der Rechtslage aus § 11 KSchG und § 2 Abs. 5 SGB III dürfen von dem gekündigten Arbeitnehmer keine "besonderen Anstrengungen" zur Erlangung einer anderweitigen Tätigkeit verlangt werden. Eine andere Beurteilung ist aber ausnahmsweise auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben geboten. So ist ein Tätigwerden des Arbeitnehmers jedenfalls dann erforderlich, wenn sich ihm eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet.
4. Der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG geführt. Der ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt aufgrund der normativen Vorgaben im Entgeltfortzahlungsgesetz ein hoher Beweiswert zu.
5. Der Arbeitgeber kann den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dadurch erschüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben mit der Folge, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt.
Normenkette
BUrlG § 11; BGB § 165 S. 1; KSchG § 11 Nr. 2; BGB § 611a Abs. 2; EntGFZG § 3 Abs. 1 S. 1; BGB § 670; BUrlG § 1; SGB III § 2 Abs. 5; SGB X § 115; BGB §§ 242, 286, 288; EFZG § 5 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 02.03.2022; Aktenzeichen 18 Ca 3628/21) |
Tenor
- Die Berufungen des Klägers und der Beklagten werden jeweils zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens sind zu 6% vom Kläger und zu 94% von der Beklagten zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nach einem abgeschlossenen Kündigungsschutzverfahren über Ansprüche des Klägers auf Annahmeverzugslohn für den Zeitraum vom November 2020 bis Juli 2021, Aufwendungsersatz für die Kosten eines Festnetzanschlusses für den Zeitraum von November 2020 bis August 2021 sowie Vergütungs- bzw. Entgeltfortzahlungsansprüche für die Monate August und September 2021.
Der Kläger ist seit dem 06.08.2018 bei der Beklagten als Key Account Manager beschäftigt. Seine monatliche Vergütung betrug zuletzt, einschließlich des Wertes einer Dienstwagenüberlassung auch zur privaten Nutzung, durchschnittlich 6.585,67 Euro brutto. Des Weiteren erstattete die Beklagte dem Kläger vor der Kündigung monatlich Kosten i.H.v. 15,00 Euro. Diese wurden dadurch verursacht, dass der Kläger auf Initiative und Abstimmung mit der Beklagten in Erweiterung seines privaten Telefonanschlusses, zusätzlich zu seinem dienstlichen Mobiltelefon, einen weiteren Festnetzanschluss für dienstliche Telefonate bestellt hatte.
Mit Schreiben vom 31.08.2020 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis zum 30.09.2020. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und bewarb sich in der Folgezeit bei verschiedenen Arbeitgebern. Der Umfang der erfolgten Bewerbungen ist zwischen den Parteien streitig. Das dem Kläger bislang überlassenen Fahrzeug stand ihm ab November 2020 nicht mehr zur Verfügung. Im Zeitraum vom 01.10.2020 bis 31.07.2021 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 2.829,60 Euro monatlich. Mit Schreiben vom 24.02.2021 bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, wann er sich wo beworben und anrechenbaren Verdienst erzielt habe bzw. warum dieses gegebenenfalls nicht der Fall gewesen sei. Zudem übermittelte sie in dem Kläger Hinweise bzw. Internet Fundstellen zu vier Stellenanzeigen. Mit Schreiben vom 03.05.2021 wiederholte die Beklagte ihr Auskunftsverlangen gegenüber dem Kläger und bat zudem um schriftliche Mitteilung zu Vermittlungsangeboten der Agentur für Arbeit und des Jobcenters. Am 18.05.2021 begehrte die Beklagte gegenüber dem Kläger ergänzend Auskunft darüber, ob und wann er sich arbeitssuchend gemeldet, über seinen persönlichen Arbeitsvermittler Stellenangebote un...