Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungszusage. Anwartschaftszuwächse. Widerrufsvorbehalte. wirtschaftliche Notlage
Leitsatz (amtlich)
1. Der steuerunschädliche Widerrufsvorbehalt wegen wirtschaftlicher Notlage i. S. d. BdF-Schreibens vom 30.06.1975 – BStBl I S. 716 und der ESt-RiL 2005 zu § 6 a EStG in einer Versorgungszusage hat keine weitergehende Bedeutung als die Berufung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts.
2. Darauf kann sich der Arbeitgeber bei einer auf individualrechtlicher Grundlage erteilten Versorgungszusage grundsätzlich auch dann nicht berufen, wenn er lediglich in Anwartschaftszuwächse eingreifen will (Weiterführung von BAG vom 17.06.2003).
3. Der sog. Mustervorbehalt kann nicht in dem Sinne umgedeutet werden, dass sich seine Anforderungen an den Eingriffszielen i. S. d. 3-Stufen-Theorie des BAG jeweils variabel ausrichten.
Normenkette
BetrAVG § 2; BGB §§ 139, 242, 275, 313
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 16.05.2006; Aktenzeichen 14 Ca 10030/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.05.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 14 Ca 10030/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines (Teil-)Widerrufs einer Versorgungszusage.
Der am 15.11.1944 geborene Kläger steht seit 1.1.1971 in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger. In § 11 des Arbeitsvertrages vom 18.2.1981 sind ihm Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung nach der LH-Pensionsordnung in der jeweils geltenden Fassung zugesagt. Die Pensionsordnung sieht dienstzeitabhängige Steigerungen (0,5 % pro Dienstjahr) und gehaltsabhängige Dynamik vor. Diese am 1. 1.1969 eingeführte Pensionsordnung galt bei Abschluss des Arbeitsvertrages in der 3. Fassung v. 1.1.1980. Mit Wirkung v. 1.1.1986 wurde sie im Hinblick auf die Regelungen im gesetzlichen Rentenrecht über die Gleichstellung von Mann und Frau bei der Hinterbliebenenrente durch die 4. Fassung ersetzt. Vorausgegangen war die Betriebsvereinbarung Nr. 113 v. 26.11.1985 über die Einführung einer Witwer-Pension und einer einheitlichen Witwer-/Witwenpension von 50 %, die in die Neufassung eingearbeitet wurde.
§ 12 der Pensionsordnung enthielt auch in der 4. Fassung u. a. folgende Bestimmungen:
„…
3. LH hofft, die nach den vorstehenden Bestimmungen vorgesehenen Leistungen vermögens-, liquiditäts- und ertragsmäßig dauernd erfüllen zu können. Sie muss sich jedoch vorübergehende oder dauernde Einschränkungen, Kürzung oder Einstellung der Leistungen ausdrücklich vorbehalten für den Fall, dass sich die bei Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass LH die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange der Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.
4. Dies gilt insbesondere, wenn
- die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann oder
- …
- …
- …”
Für die ab 1.11.1980 eingetretenen Mitarbeiter wurden durch Betriebsvereinbarungen Nr. 112,116 vom 26.11.1985 und 26.9.1986 gesonderte Regelungen über die betriebliche Altersversorgung eingeführt, die u. a. im Vergleich zur Versorgungszusage des Klägers geringere Steigerungssätze (0,3 % statt 0,5 %) für jedes anrechnungsfähige Beschäftigungsjahr vorsehen. Durch Betriebsvereinbarung Nr. 23 vom 31.8.2000 wurde die mit der Betriebsvereinbarung Nr. 116 gewährte Pensionszusage für Neueintritte geschlossen. Mit Schreiben v. 26.1.2004 kündigte die Beklagte die Betriebsvereinbarung Nr. 116. Mit Schreiben v. 5.5.2004 teilte die Beklagte dem Betriebsrat u. a. mit:
„…
Soweit die alte Pensionsordnung vom 1.1.1969 als einseitige aber verpflichtende Pensionszusage angesehen werden sollte und die Betriebsvereinbarung 113 als eine selbstständige Betriebsvereinbarung anzusehen ist, erklärt die Geschäftsleitung vorsorglich:
- Die Aufhebung/Schließung einer einseitigen Pensionszusage.
Die Kündigung aller weiteren Betriebsvereinbarungen zu Pensionszusagen, insbesondere die Betriebsvereinbarung 113.
Die Geschäftsleitung strebt eine lückenlose Begrenzung der Pensionsansprüche an und will insbesondere das Anwachsen weiterer Pensionsansprüche nach Ende der Kündigungsfrist verhindern.
- Bereits unverfallbar erworbene Anwartschaften sollen hiervon unberührt bleiben. Soweit nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Anwartschaften oder vergleichbare Rechte trotz Kündigung und Aufhebung sich zu Rechtsansprüchen verfestigen können, sollen auch diese Grundsätze beachtet werden.”
Mit Schreiben v. 30.6.2005 bat die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die zum 31.08.2004 gekündigte Betriebsvereinbarung Nr. 113 um Zustimmung zu einer einzelvertraglichen Vereinbarung, durch die das weitere Anwachsen der Versorgungsansprüche ab Stichtag 31.8.2004 verhindert werden sollte. Nach ...