Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe. Aufzeichnungen. Verwirkung. Zeitliche Begrenzung des Herausgabeanspruchs bzgl. der Herausgabe von Aufzeichnungen über die Arbeitszeit

 

Leitsatz (amtlich)

- Einzelfall zur zeitlichen Begrenzung des Herausgabeanspruchs bzgl. der Herausgabe von Aufzeichnungen über die Arbeitszeit -

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 21 a Abs.7 Satz 2 ArbZG ist der Arbeitgeber bei Beschäftigten im Straßentransport verpflichtet, Aufzeichnungen über die Arbeitszeit der Arbeitnehmer mindestens zwei Jahre aufzubewahren, die nach § 21a Abs.7 Satz 3 ArbZG an Arbeitnehmer auf Verlangen herauszugeben sind, wobei der Anspruch unabhängig davon besteht, ob ein als Fahrer mit diesen Daten seine Vergütungs- und Spesenabrechnungen überprüfen will oder damit einen anderen Zweck verfolgt.

2. Bereits aufgrund der dargelegten Zielrichtung des Nachweischarakters des Herausgabeanspruchs, die vollkommen unabhängig von der Vergütungsfrage ist, kann der Arbeitgeber auch bei unbeanstandet gebliebener Lohnabrechnung, fehlender zeitnaher Arbeitszeitkontrolle mangels Überprüfung von Tachoscheiben und digitalem Führerschein nicht darauf vertrauen, er werde nicht mit Herausgabeverlangen des § 21a Abs. 7 Satz 3 ArbzG konfrontiert.

3. Verfolgt der Arbeitnehmer lediglich den Zweck, Auskunft zu erlangen, um seine Mehrarbeitsvergütungsklage mit Erfolg führen zu können, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, seinem Arbeitnehmer als Anspruchsgegner über den gesetzlichen Mindestanspruch hinaus die Fakten zu liefern, die diesen in den Stand setzen, etwaige Ansprüche geltend zu machen.

 

Normenkette

ArbZG § 21a Abs. 7 S. 3; BGB § 242; ArbZG § 21a Abs. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 20.12.2011; Aktenzeichen 6 Ca 1718/11)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 20.12.2011 - 6 Ca 1718/11 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft über seine Fahrzeiten bei der Beklagten für den Zeitraum 01.01.2010 bis 30.09.2010 durch Vorlage einer Kopie der Aufzeichnung für seine Arbeitszeit bezüglich der Fahrzeuge mit den Kennzeichen: und zu erteilen.

  • 2.

    Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt.

  • 4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage über Ansprüche des Klägers auf Vergütung von Mehrarbeit.

Der Kläger war in der Zeit vom 03.08.2009 bis 30.09.2010 bei der Beklagten, die eine Spedition betreibt, als LKW-Fahrer beschäftigt. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsvertrages vom 15.08.2009 wird auf Bl. 30 ff. d.A. verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 20.12.2011 (Bl. 77 ff. d.A.) die Klage des Klägers auf Auskunft über seine Fahrzeiten bezgl. vier näher bezeichneter Lastkraftwagen für die Dauer seiner Beschäftigung durch Vorlage kopierter Arbeitszeitaufzeichnungen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Auskunftsanspruch sei jedenfalls durch Hinnahme der Lohnabrechnungen verwirkt. Zudem diene der Herausgabeanspruch nach § 21 a Abs. 7 Satz 3 ArbzG nicht der Absicherung von Überstundenvergütungsansprüchen. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das ihm am 03.01.2012 zugestellte Teilurteil hat der Kläger am 03.02.2012 Berufung eingelegt und diese am 16.02.2012 begründet.

Der Kläger behauptet, er habe die Beklagte bereits mit außergerichtlichem Schreiben vom 30.12.2010 auf die fehlerhaften Lohnabrechnungen hingewiesen. Er wendet sich gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, sein Anspruch sei durch Untätigkeit verwirkt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 20.12.2011 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über seine Fahrzeiten bei der Beklagten für den Zeitraum vom 03.08.2009 bis zum 30.09.2010 durch Vorlage einer Kopie der Aufzeichnung für seine Arbeitszeit bezüglich der Fahrzeuge mit dem Kennzeichen zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der Kläger habe die monatlichen Lohnabrechnungen hinsichtlich unterbliebener Mehrarbeitsvergütung nicht beanstandet. Der Beklagten sei es zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich, die begehrten Auskünfte zu erteilen. Tachoscheiben für das Jahr 2009 seien nicht mehr vorhanden. Anhand der Dispositionslisten lasse sich die Arbeitszeit des Klägers nicht ermitteln. Von der Überprüfungsmöglichkeit durch den digitalen Führerschein habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Auch habe er eine zeitnahe Überprüfung nach der Zusatzvereinbarung vom 19.08.2009 unterlassen. Die Annahmen des Klägers zur Mehrarbeit seien bereits deshalb unzutreffend, weil er weder Pausen-, Ruhe-, Krankeits- noch Urlaubszeiten berücksichtige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Stre...

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