Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen eines sexuellen Übergriffs gegenüber einer Kollegin

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen eines sexuellen Übergriffs ist gerechtfertigt, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass ein männlicher Arbeitnehmer eine Kollegin mit einer Hand erst in ihren Schritt gefasst hat, sich dann selber in den Schritt fasst und anschließend "Oh, da tut sich ja was" ausruft.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1-2; AGG § 3 Abs. 4, § 7 Abs. 3, § 12 Abs. 3; ZPO § 286 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 02.10.2019; Aktenzeichen 3 Ca 722/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 02.10.2019 (3 Ca 722/19) wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrages zu Ziff. 2 (allgemeiner Feststellungsantrag) richtet.
  2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 02.10.2019 (3 Ca 722/19) zurückgewiesen.
  3. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweisen ordentlichen Kündigung wegen eines sexuellen Übergriffs sowie über einen sog. allgemeinen Feststellungsantrag.

Die Beklagte ist ein holzverarbeitendes Unternehmen in M . Bei ihr sind ca. 180 Arbeitnehmer, davon ca. 120 in der Produktion, darunter wiederum fünf Frauen tätig. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am .19 in B L geborene Kläger, der die Staatsangehörigkeit von B hat, ist seit dem 11.03.2002 als Maschinenführer bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt iHv. 1.900,- Euro in Vollzeit beschäftigt. Der Kläger arbeitet in Wechselschicht. Er hat von der Beklagten keine Abmahnungen erhalten.

Bei der Beklagten arbeitet in der Produktion seit dem 06.04.2018 die Mitarbeiterin und Zeugin, Frau V Z , die am 16.03.1986 geboren ist, verheiratet ist und zwei minderjährige Kinder hat. Der Arbeitsvertrag von Frau Z war zunächst auf ein Jahr befristet. Die tägliche Arbeitszeit von Frau Z beträgt vier Stunden. Auch sie arbeitet in Wechselschicht.

Am 19.11.2018 arbeiteten sowohl der Kläger als auch die Mitarbeiterin und Zeugin Z in der Spätschicht (14:30 bis 23:00 Uhr). Während dieser Schicht ist es zu einem Vorfall zwischen dem damals 59-jährigen Kläger und der 32,5-jährigen Zeugin gekommen, der zwischen den Parteien umstritten ist, wobei unstreitig ist, dass die Zeugin Z den Kläger zunächst umarmt bzw. in die Arme genommen hat.

Am Montag, den 25.02.2019 wandten sich sowohl die Mitarbeiterin und Zeugin Z als auch die Mitarbeiterin, Frau S H , die bei der Beklagten seit dem 01.05.2016 in der Produktion beschäftigt ist und der sich die Zeugin zuvor anvertraut hatte, an die Personalleiterin der Beklagten (Frau K St ). Sie erklärten dieser, sie seien vom Kläger sexuell belästigt worden. Beide Arbeitnehmerinnen sind ebenso wie eine weitere Mitarbeiterin, Frau B , im Folienlager der Beklagten an Etikettiertischen tätig. Dieser Arbeitsbereich ist durch eine Trennwand von dem Produktionsbereich, in dem der Kläger tätig ist, abgetrennt. Der Kläger muss diesen Bereich passieren, wenn er zum Pausenraum oder zu den Toiletten gehen möchte. Ob der Kläger die Mitarbeiterinnen H und B ebenso sexuell belästigt hat, wie die Beklagte behauptet, ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig.

Der Kläger stritt in der Anhörung durch Frau St am 26.02.2019 zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der sexuellen Belästigung diese Vorwürfe ab, insbesondere die Mitarbeiterinnen überhaupt berührt zu haben.

Mit Schreiben vom 27.02.2019 hörte die Beklagte den Vorsitzenden des bei ihr gebildeten Betriebsrates durch die Personalleiterin und die Geschäftsführerin schriftlich und mündlich bzgl. der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. In dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug auf Bl. 37-38 d.A. genommen wird, heißt es auszugsweise:

"[...] Fr. Z fühlt sich seit ca. 1 Jahr (seitdem sie bei uns beschäftigt ist) von Hr. D sexuell belästigt. Anfänglich hat Hr. D ihr Komplimente gemacht, wollte ihr Getränke ausgeben und Eis mit ihr essen gehen, worauf sie aber nicht eingegangen ist.

Ab dann hat er regelmäßig, wenn er und Fr. Z Spätschicht hatten, ihre Nähe gesucht und dabei nie den persönlichen Abstand eingehalten hat, worum sie ihn aber gebeten hat und ihn auch später laut dazu aufgefordert hat.

Dabei berührte er Fr. Z immer wieder an ihrer Schulter, streichelte ihre Arme und über ihre Tätowierungen an den Armen, worauf sie einen Schritt zurück ist und ihn laut und unmissverständlich aufforderte, das zu unterlassen.

Irgendwann an einem Tag im November (den genauen Tag hat Fr. Z verdrängt) ist Hr. D zu ihr gegangen und wirkte sehr bedrückt und traurig, worauf sie ihn freundschaftlich tröstend in den Arm nahm. Diese Situation nutzte er aus, fasste mit einer Hand an Ihren Po und m...

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