Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. ruhendes Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer kann nicht gesetzlichen Urlaub neben tariflichem Urlaub fordern, vielmehr besteht für die ersten 24 Werktage – bzw. hier die ersten 20 Arbeitstage – Urlaub im Jahr Anspruchskonkurrenz durch mehrere Anspruchsgrundlagen. Wird der gesetzliche Urlaubsanspruch erfüllt, verbleibt allein der diesen Anspruch übersteigende tarifliche Erholungsurlaub. Bestehen aber für denselben Anspruch unterschiedliche Anspruchsgrundlagen, besteht kein Grund für eine Tilgungsbestimmung.
2. Deutliche Anhaltspunkte für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubs(-abgeltungs)ansprüchen unterscheidet, sind dann anzunehmen, wenn sich die Tarifvertragsparteien in weiten Teilen vom gesetzlichen Urlaubsregime lösen und stattdessen eigene Regeln aufstellen, was im Rahmen des TVöD der Fall ist.
3. Sind aber Arbeitsleistung und Vergütung aufgrund des Ruhens des Arbeitsverhältnisses gemäß § 33 Abs. 2 TVöD von vornherein ausgeschlossen, so fehlt es an einem Austauschverhältnis, aus dem Urlaubsansprüche erwachsen können.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4; BGB § 366 Abs. 2; TVöD §§ 26, 33
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 03.12.2010; Aktenzeichen 5 Ca 367/10 d) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 03.12.2010 – 5 Ca 367/10 d – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 92 % und die Beklagte zu 8 %.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungsansprüche für insgesamt 163 Urlaubstage.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.05.1982 als Werkstattmeister zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.591,57 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Vergleichs durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.09.2010.
Seit dem 10.01.2005 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt.
In der Zeit vom 08.12.2004 bis zumindest August 2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Im Jahr 2004 hat der Kläger zuvor lediglich 21 Tage Urlaub in Anspruch genommen. In der Zeit vom 01.07.2005 bis zu 31.01.2007 bezog der Kläger eine volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit. Seit dem 01.02.2007 bezieht er gemäß Rentenbescheid vom 08.02.2007 Erwerbsminderungsrente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit. Der Rentenbescheid wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 08.02.2007 ging am 12.02.2007 beim V K D., dem Bevollmächtigten des Klägers in Rentenangelegenheiten, ein. Daraufhin sandte der Kläger ein Schreiben an die Beklagte mit Eingang am 28.02.2007, mit dem er die Weiterbeschäftigung mit reduzierter Stundenzahl beansprucht. In der Folgezeit wurde der Kläger von der Beklagten nicht beschäftigt.
Mit am 23.08.2010 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangener Klageerweiterung vom 20.08.2010, die allein Gegenstand des Berufungsverfahrens ist und der Beklagten am 30.08.2010 zugestellt worden ist, macht der Kläger die Abgeltung von insgesamt 163 Urlaubstagen für 2004 – 2010 geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für das Jahr 2004 seien noch 9 Urlaubstage abzugelten, für das Jahr 2005 30 Urlaubstage, für die Jahre 2006 – 2009 jeweils 25 Urlaubstage und für das Jahr 2010 24 Urlaubstage. Die tarifliche Kürzungsregelung des § 26 Abs. 2 c TVöD komme nur für den Tarifurlaub, nicht aber für den gesetzlichen Urlaub zur Anwendung. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses stehe einem Entstehen des Urlaubsanspruches nicht entgegen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung in Höhe von 27.018,88 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 30.08.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass dem Kläger ein Anspruch auf Abgeltung des über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden tariflichen Urlaubs nichts zustehe. In Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses sei ein Urlaubsanspruch grundsätzlich ausgeschlossen. Jedenfalls seien die Ansprüche des Klägers teilweise verfallen, da das Arbeitsverhältnisses durch die auflösende Bedingung gemäß § 33 TVöD nach Bezug der vollständigen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beendet gewesen sei und der Kläger die Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht habe.
Mit Urteil vom 3. Dezember 2010 hat das Arbeitsgericht Aachen der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Abgeltung von 13 Urlaubstagen für das Jahr 2005 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger für den Zeitraum 01.01.2005 – 30.06.2005 10 Urlaubstage sowie 3 Tage Schwerbehindertenzusatzurlaub zustehen, die noch abzugelten seien. Der Urlaub sei nach Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten, da er nicht gewährt werden konnte, weil der Arbeitnehmer ...