Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebübergang bei Neuvergabe von Rettungsdienstaufträgen
Leitsatz (amtlich)
Die Neuvergabe von Rettungsdiensten an einen anderen Auftragnehmer durch einen Landkreis ist auch ohne Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des vom bisherigen Auftragnehmer eingesetzten Personals als Betriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB anzusehen, wenn der Landkreis für die Durchführung der Dienste sämtliche materiellen Betriebsmittel (wie Wachgebäude, Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände) zur Verfügung stellt, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Betriebsmittel vom neuen Auftragnehmer eigenwirtschaftlich genutzt werden (gegen LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 07.08.2001 – 8 (2) Sa 142/01 –).
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen 3 Ca 83/07) |
Tenor
1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 10.05.2007 – 3 Ca 83/07 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufungen tragen die Beklagten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten zu 1. und das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. seit dem 01.01.2007.
Die Beklagte zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin waren etwa 40 Jahre vom Kreis H beauftragt, den Rettungsdienst im dortigen Kreisgebiet vorzunehmen. Dieser wird in vier Hauptwachen und drei Rettungswachen-Außenstellen durchgeführt. Die vier Wachen befinden sich in E mit der Nebenwache A, in G mit den Nebenwachen Ü-P und G sowie in H und H. Zum Rettungsdienst gehörte im Rahmen der flächendeckenden Gesamtversorgung die Vorhaltung der Infrastruktur für rettungsdienstliche Großeinsätze in den Gebietsbereichen Nord und Süd. Diese steht im organisatorischen Zusammenhang zu den Rettungswachen E (Nord) und H (Süd). Die insgesamt 89 Mitarbeiter der Beklagten zu 1. waren bestimmten Rettungswachen im Kreis zugeordnet. Jede Hauptwache hatte einen Wachenleiter und einen Stellvertreter sowie eine bestimmte Anzahl von Rettungssanitätern und -assistenten. Ein Einsatz der Mitarbeiter der Beklagten zu 1. im Bereich einer anderen Hauptwache erfolgte nur in Urlaubs- oder Krankheitsfällen. Die Rettungswachen einschließlich der Betriebsmittel, wie insbesondere die Rettungswagen, die sonstigen Einsatzfahrzeuge sowie die zur Durchführung des Rettungsdienstes erforderlichen Ausrüstungsgegenstände befanden sich im Eigentum des Kreises H. Sowohl während ihrer Tätigkeit für den D als auch während ihrer Tätigkeit für die Beklagte zu 1. erhielten die in den Rettungswachen des Kreises H eingesetzten Mitarbeiter die Arbeitsvergütung vom Kreis H..
Der am 23.07.1966 geborene Kläger war seit dem 09.10.1989 zunächst bei dem D und seit dem 01.01.2006 auf Grund eines erfolgten Betriebsübergangs bei der Beklagten zu 1. zuletzt auf der Grundlage eines mit dem 02.06.2006 datierten Arbeitsvertrags als Rettungsassistent beschäftigt. In § 3 dieses Arbeitsvertrags heißt es: „Anstelle des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis ab dem 01. Oktober 2005 nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD) vom 13. September 2005 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifvertrages sowie sinngemäß auch nach den Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter des D..” Der Kläger wurde in der Wache in E eingesetzt. Sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 3.926,63 EUR.
Im Juni 2006 schrieb der Kreis H die Vergabe des Rettungsdienstes für die Zeit ab dem 01.01.2007 in sechs Losen für die einzelnen Hauptwachen aus. Mit Schreiben vom 18.09.2006 kündigte er wegen des laufenden Ausschreibungsverfahrens vorsorglich die Beauftragung der Beklagten zu 1. zum 31.12.2006. Am 09.11.2006 beauftragte der Kreistag des Kreises H zum einen den J, Regionalverband Aa, zum anderen die Beklagte zu 2. mit der Durchführung des Rettungsdienstes im Kreis H, wobei der Beklagten zu 2. die Hauptwache E mit der Nebenwache A sowie die Großeinsätze Nord und dem J. die drei Hauptwachen G mit den Nebenwachen P und G, H und Hü sowie die Großeinsätze Süd übertragen wurden. Mit Schreiben vom 10.11.2006 bestätigte der Kreis H gegenüber der Beklagten zu 1. die bereits ausgesprochene Kündigung zum 31.12.2006. Zuvor ist in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1. am 31.10.2006 beschlossen worden, den Betrieb für den Fall, dass die Beklagte zu 1. keinen Zuschlag für die Durchführung des Rettungsdienstes erhält, zum 31.12.2006 stillzulegen.
Die Beklagte zu 2. nutzt für die Durchführung des Rettungsdienstes seit dem 01.01.2007 die Gerätschaften zum Rettungsdienst, die der Kreis H zuvor der Beklagten zu 1. zur Verfügung gestellt hatte. Von der Beklagten zu 2. werden ihren Angaben zufolge zehn und von dem J 34 Mitarbeiter beschäftigt, die zuvor bei der Beklagten zu 1. tätig waren.
Mit Schreiben vom 18.12.2006 kündigte die Beklagte zu 1. ...