Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
1. Erhebt der Schuldner eines rechtskräftigen Titels Vollstreckungsabwehrklage und wird die laufende Zwangsvollstreckung daraufhin einstweilen eingestellt, so führt dies zu einem Stillstand der Vollstreckung. Dies bedeutet für einen zuvor erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss:
- Die Pfändung bleibt wirksam, auch soweit sie auf zukünftige Einkommensansprüche gerichtet ist, jedoch dürfen die gepfändeten Einkommensbestandteile nicht mehr an den Gläubiger allein überwiesen werden.
- Der Drittschuldner (Arbeitgeber) darf die gepfändeten Einkommensbestandteile während der Stillstandsphase also weder an den Gläubiger, noch an den Hauptschuldner (Arbeitnehmer) allein zahlen, sondern nach entsprechender Absprache – nur an beide gemeinsam, oder er muss hinterlegen.
2. Wird die Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig abgewiesen, endet die Stillstandswirkung und der Gläubiger kann nun wieder die Überweisung aller in der Stillstandsphase von der Pfändung erfassten Einkommensbestandteile an sich selbst verlangen. Durch eine pfändungswidrig erfolgte Auszahlung an den Hauptschuldner (Arbeitnehmer) wird der Drittschuldner (Arbeitgeber) von seiner Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger nicht frei.
3. Etwas anderes gilt nur, wenn zusätzlich zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung die Pfändung ausdrücklich aufgehoben worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 767, 769, 775-776, 850c
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen 1 Ca 4117/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 06.03.2003 in Sachen 1 Ca 4117/02 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.401,33 EUR nebst 5 % Zinsen über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2001 aus je 260,15 EUR und aus 100,58 EUR seit dem 01.08.2001 zu zahlen.
Die weitergehende Zinsforderung wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer sog. Drittschuldnerklage um die Abführung von zu Gunsten der Klägerin gepfändeten Bestandteilen vom Lohn des Streitverkündeten.
Der Streitverkündete, welcher seiner Ehefrau und einem minderjährigen Kind unterhaltsverpflichtet ist, war im Jahre 2001 bis in den Dezember hinein bei der Beklagten als Lkw-Fahrer im Fernverkehr beschäftigt. Er verdiente hierbei mindestens 4.500,00 DM brutto monatlich, was nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen der Klägerin zu einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von (mindestens) 3.310,92 DM führte.
Die Klägerin hatte in einer mietrechtlichen Streitigkeit gegen den Streitverkündeten ein vollstreckbares Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 14.07.2000 erwirkt, wonach der Streitverkündete verpflichtet wurde, an die Klägerin 2.400,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 08.09.1999 zu zahlen. Wegen der Hauptforderung zuzüglich Zinsen und Kosten erwirkte die Klägerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 07.02.2001, welcher der Beklagten am 21.02.2001 zugestellt wurde. Mit diesem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde die Forderung des Streitverkündeten auf Zahlung des gesamten gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens (einschließlich des Geldwertes von Sachbezügen) solange, bis der Gläubigeranspruch gedeckt ist, gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. In dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss heißt es u. a. wörtlich:
„Der Drittschuldner darf, soweit die Forderung gepfändet ist, an den Schuldner nicht mehr leisten. Der Schuldner darf insoweit über die Forderung nicht verfügen, insbesondere sie nicht einziehen.” (vollstreckbarer Titel, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und Zustellungsunterlagen in Hülle Bl. 5 d. A.).
Der Streitverkündete erhob gegen das Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 14.07.2000 Vollstreckungsgegenklage und erwirkte in diesem Zusammenhang einen Beschluss des Amtsgerichts Waldbröhl vom 07.03.2001 (Bl. 11 d. A.), in welchem „die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 14.07.2000 – 6 C 506/99 – einstweilen eingestellt wird, §§ 767, 769 ZPO”.
Die Beklagte erhielt von diesem Einstellungsbeschluss Kenntnis. Sie nahm den Einstellungsbeschluss zum Anlass, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 07.02.2001 nicht weiter zu beachten, und zahlte an den Streitverkündeten bis zu dessen Ausscheiden im Dezember 2001 den ungekürzten, vollen Nettolohn weiter aus.
Mit Urteil des Amtsgerichts Waldbröl vom 15.03.2002 wurde die Vollstreckungsgegenklage des Streitverkündeten rechtskräftig abgewiesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nach der Lohnpfändungstabelle zu § 850 c ZPO nach der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 07.02.2001 monatlich einen pfändbaren Betrag in Höhe von 508,80 DM (260,15 EUR) ...