Entscheidungsstichwort (Thema)
Standortverlegung. Paritätische Auswahlkommission nach § 4 TV DTKS
Leitsatz (amtlich)
Zur Beteiligung der paritätischen Auswahlkommission nach § 4 TV DTKS bei der Auswahl der von einer Standortverlegung betroffenen Arbeitnehmer.
Normenkette
TVG § 1 ff; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 18.03.2010; Aktenzeichen 1 Ca 3327/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.03.2010 – 1 Ca 3327/09 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, mit der paritätischen Auswahlkommission nach § 4 des Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 25.06.2007 bei der Umsetzung des Standortkonzeptes entsprechend der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.11.2008 die Auswahl der Mitarbeiter zu erörtern und zu beraten.
Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der D AG, das Call-Center Dienstleistungen erbringt und eine Standortbereinigung vornehmen möchte. Zur Umsetzung des geplanten Standortkonzepts vereinbarte die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan nach §§ 111, 112 BetrVG unter dem 28.11.2008. Gegenstand der Betriebsänderung ist dabei die Konzentration der Call-Center an bestimmten Orten und die Migration der Beschäftigten. Von der Maßnahme betroffen ist die Verlagerung von vier der fünf Call-Center von B nach F (O).
Nach dem Zuordnungstarifvertrag vom 28.04.2008 gehörten die Arbeitsstätten in B ausweislich der Anlage 1 zum Zuordnungstarifvertrag der Region 2 (Nord-Ost) an, die gemäß § 3 des Zuordnungstarifvertrages als Betrieb im Sinne des § 1 BetrVG gelten sollte. Dieser Zuordnungstarifvertrag wurde abgelöst durch den Zuordnungstarifvertrag vom 17.03.2010, durch den die Arbeitsstätten in B bzw. F (O.) nunmehr in die Region 1 (Nord) überführt worden sind.
Der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 25.06.2007 (nachfolgend: TV Ratio D.) enthält folgende Regelungen:
§ 3 Auswahl
(1) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, nur ein Teil der Arbeitsplätze wegfällt oder verlegt wird, so werden alle auf den gleichen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. von der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.
(2) Wenn von einer Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze, die von einer Maßnahme im Sinne von § 1 betroffen sind, alle Arbeitsplätze wegfallen oder verlegt werden, so sind alle auf diesen Arbeitsplätzen bislang beschäftigten Arbeitnehmer betroffen und werden in die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit der D, den Betrieb B, versetzt.
(3) Wenn im Falle des Absatzes 1 und 2 innerhalb der Organisationseinheit andere vergleichbare Arbeitsplätze bestehen, die nicht von einer Maßnahme im Sinne des § 1 betroffen sind, so werden die darauf beschäftigten Arbeitnehmer bei der Festlegung, welche Arbeitnehmer konkret vom Wegfall bzw. der Verlegung des Arbeitsplatzes betroffen sind, mit einbezogen. Die erforderlich werdende Auswahl richtet sich abschließend nach Absatz 4 und der Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.
(…)
Protokollnotiz zu § 3 Abs. 6:
Bei Vollbetroffenheit im Sinne des Absatzes 2 findet die Herausnahmeregelung des Absatzes 6 Satz 1 keine Anwendung. Eine Versetzung in die B erfolgt jedoch nur, wenn bei einer vorrangigen Prüfung anderweitiger Unterbringung des Arbeitnehmers – begrenzt auf die T-Grenze – nachweislich kein anderweitiger zumutbarer und gleichwertiger Arbeitsplatz gemäß TV Ratio D gefunden wurde.
Protokollnotiz zu § 3:
- Bei der nach den Absätzen 3 und 4 vorzunehmenden Auswahlentscheidung handelt es sich um eine Sozialauswahl im Sinne des KSchG zum Zwecke der Überführung gemäß § 5 Absatz 1 und 3 in den Betrieb B. Die Anlagen 1 und 2 dieses Tarifvertrags stellen für diesen Zweck eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 1 Abs. 4 KSchG dar.
- die einzubeziehenden Mitarbeiter erhalten mittels eines einheitlichen Formblattes die Möglichkeit, die Kriterien der Anlage 2 sowie etwaige soziale Härten geltend zu machen.
§ 4 Paritätische Auswahlkommission I
(1) Für eine nach § 3 erforderlich werdende Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern wird in D eine ständige Auswahlkommission im Betrieb eingerichtet.
(2) Die Auswahlkommission ist mit Arbeitgebervertretern und Mitgliedern des Betriebsrats des jeweils betroffenen Betriebsrats der D paritätisch zu besetzen.
(3) In der Auswahlkommission ist mit dem Ziel einer Einigung eine umfassende Erörterung und Beratung vorzunehmen. Soweit schwerbehinderte Arbeitnehmer betroffen sind, ist im Rahmen der Beratung innerhalb der Auswahlkommission der Vertrauensmann der Schwerbehinderten...